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Frauen am Bauhaus

 

Der Anfang des 20. Jahrhunderts war eine Zeit des Auf- und Umbruchs, in vielen Bereichen.  Auf alle kann ich (und will ich) hier nicht eingehen, sondern ich möchte den Blick lenken auf Frauen in kreativen Berufen. 

 

Also fangen wir vorne an! 

 

Auf die (fundierte) Ausbildung von Frauen hatte man bis dato eigentlich keinen so großen Wert gelegt – sie selbst tatsächlich auch nicht. Wie denn auch: wenn ich keine Vorbilder habe, keine andere Frau zum Beispiel kenne, von ihr höre etc. die ebenfalls eine Ausbildung gemacht hat, gar an eine Uni gegangen ist, dann komme ich selbst auch eher nicht auf die Idee. Das Thema Vorbilder spielt hier bis heute eine immense Rolle. (Natürlich nicht nur in Bezug auf Frauen.) Vorgelebtes ist einfach greifbarer – in allen Bereichen – ganz logisch. Egal, ob wir uns hierbei die Berufswahl anschauen oder aber die Auswahl der Kleidung: je mehr ich es sehe umso mehr denke ich: „will ich auch“. 

 

Gehen wir wieder etwa 120 Jahre zurück. Damals schien es zu genügen, wenn junge Frauen auf ihre Rolle in Ehe, Haushalt und als Mutter vorbereitet wurden.  Ein Besuch an einer „Schule für höhere Töchter“ war also häufig der eingeschlagene Weg (ja, hier befinden wir uns natürlich in der Gesellschaftsschicht, die sich dies leisten konnte und auch: ja, ich weiß, dass das nicht auf alle zutraf). Einzige Option nach Ende der Schulpflicht (mit 15-16 Jahren und ohne eine Möglichkeit, Abitur zu machen und zu studieren) war dann noch der Besuch eines Lehrerinnenseminars. Tatsächlich war in dieser Sache die Schweiz ein wichtiger Vorreiter: Hier war Frauen ab 1867 die Möglichkeit zu einem ordentlichen Studium gegeben.

 

Anfang des 20. Jahrhunderts kam dann auch in Deutschland Bewegung in die Sache: Frauenbewegung, Wahlrecht, Zugang zu (mehr) Bildung. Im Jahr 1900 setzte in Baden erstmalig eine Regierung gegen die letzten Proteste aus der Professorenschaft das Studium für Frauen durch und die Universitäten Freiburg und Heidelberg nahmen als erste Studentinnen auf. Auch die Kunstakademien öffneten sich zunehmend – weit häufiger aber die sogenannten „Kunstgewerbeschulen“. 

 

Kunstgewerbeschulen, hmmm, das ist ein bisschen speziell. Kunstgewerbe war etwas zwischen Handwerk und Kunst, wo man Frauen als Arbeitskräfte brauchte. Häufig wurde deshalb auch alles, was damit zusammenhing, milde belächelt. Nicht Fisch, nicht Fleisch. Das änderte sich durch das Arts&Crafts-Movement in England und dessen führenden Kopf William Morris (1834-1896) und schließlich durch den Deutschen Werkbund, der sehr stark von der englischen Bewegung beeinflusst war. 1920 wird mit Lilly Reich sogar zum ersten Mal eine Frau in den Vorstand des Werkbundes gewählt. 

 

So, und nach diesem – etwas weiter gespannten – Bogen, landen wir bei Walter Gropius und dem Bauhaus. Gropius hat viele Ideen des Werkbundes in sein Programm und seine Vorstellung von der Lehre aufgenommen. Man wollte schließlich „modern“ sein. Und eigentlich konnte er auch gar nicht anders. Denn mit Beginn der Weimarer Republik (ab 1918 also), besaßen Frauen in Deutschland das Wahlrecht und die Lehrfreiheit. Und so verkündet Walter Gropius 1919 bei der Gründung[1] des bauhaus: „Als Lehrling aufgenommen wird jede unbescholtene Person ohne Rücksicht auf Alter und Geschlecht, deren Begabung und Vorbildung als ausreichend erachtet wird.“ 

 

Tja, und sie kamen tatsächlich! Im Sommersemester 1919 schrieben sich 84 weibliche und 79 männliche Studierende am bauhaus ein. ...und das war dann plötzlich doch zu viel... Man fürchtete um das Ansehen der Schule, manche Meister weigerten sich, Frauen in ihren Werkstätten aufzunehmen. Weibliche Studierende würden den männlichen die wertvollen Werkstattplätze wegnehmen. (Ehrlich!) ...vielleicht hatte man aber auch einfach nur Bammel vor ein bisschen Konkurrenz... Außer in der Weberei. Da waren Frauen ok. Die wurde sogar ab 1920 als „Frauenklasse“ bezeichnet. Ist ja auch eher Kunstgewerbe. Grrrrrr. Oskar Schlemmer soll sogar gesagt haben: „Wo Wolle ist, ist auch ein Weib, das webt, und sei es nur zum Zeitvertreib.“ Nochmal grrrrrrr.

 

Aber: Ausnahmen bestätigen die Regel. Und die werden in neuen Forschungen auch immer mehr beachtet. In den Vordergrund gerückt. Gesehen. Also, das Problem ist nicht, dass es keine Frauen am bauhaus gab. Das Problem ist, dass ihnen (bis heute) zu wenig Beachtung geschenkt wurde/wird.

 

Beachten wir also.

 

Lilly Reich. Eben gerade schon erwähnt. Geboren 1885. Gelernte Kurbelstickerin[2]. Sie hat dann an den Wiener Werkstätten bei Josef Hoffmann (1870-1956) gearbeitet und anschließend in Berlin ein eigenes Atelier für (mit heutigen Worten gesagt) „Interior Design“ eröffnet. 1926 lernt sie Ludwig Mies van der Rohe kennen. Gestaltet mit ihm u.a. den deutschen Pavillon auf der Weltausstellung 1929 in Barcelona. Wird 1930 dem Meisterrat am bauhaus vorgeschlagen und erhält eine Stelle als Leiterin der Ausbauabteilung und Weberei. (Ja, wieder Weberei...) Man munkelte auch, sie hätte diese Stelle bekommen, weil Ludwig Mies van der Rohe zu dieser Zeit schon Direktor des bauhaus, mittlerweile in Dessau, war. (Ich schiebe hier nochmal kurz ein „grrrrrrr“ dazwischen.) Wie dem auch sei. Beliebt war sie nicht. Aber eine Macherin. Die Schließung der Schule durch die Nationalsozialisten setzten dem ein Ende 19933 in Berlin. Lilly Reich war schon zum 31. Dezember 1932 gekündigt worden. Nach dem Zweiten Weltkrieg eröffnete sie in Berlin wieder ein (erfolgreiches) Atelier und unterrichtete auch an verschiedenen Institutionen. Sie verstarb allerdings nach schwerer Krankheit bereits 1947.

 

Zweite Beachtung gilt Marianne Brandt (1893-1983). Bestimmt bekannter als die Erstgenannte. Für und durch ihre Aschenbecher, Tee-Extrakt-Kannen, Leuchtmittel zum Beispiel. Als einige der wenigen weiblichen Studierenden war sie nicht in die Frauenklasse gegangen, sondern in die Metallwerkstatt. Brachte es dort bis zur Leitung und revolutionierte das Metalldesign. Großartige Entwürfe. Tolle Ideen. Auch hier setzten die Nationalsozialisten der Karriere erstmal ein Ende. Marianne Brandt ging 1933 in die innere Emigration. Ab 1946 war sie aber gleich wieder sehr aktiv. Als Künstlerin. Fotografin. Designerin. Dozentin. Und damit ist sie bis heute präsent und gehört absolut in eine Reihe mit zum Beispiel Wilhelm Wagenfeld, dem in der Metallwerkstatt des bauhaus eine etwa gleiche Rolle zukam. 

 

Klar gibt es noch mehr. Anni Albers. Gunta Stölzl. Lucia Moholy. Otti Berger. Alma Buscher. Grete Stern. Ise Gropius. Gertrud Arndt. Irena Blühová. Irene Bayer. Lotte Beese. Florence Henri. Lis Beyer-Volger. Wera Meyer-Waldeck. …*

 

Viel Spaß beim Entdecken!

 

 



[1] Streng genommen ist das bauhaus nicht „gegründet“ worden, sondern entstand durch die Zusammenlegung zweier bereits bestehender Kunstschulen in Weimar. Es wurde also nichts komplett Neues kreiert, sondern teilweise auf vorhandene Strukturen aufgebaut. 

[2] Keine Ahnung, was Kurbelstickerei ist? Kein Problem! Das ist Sticken mit Häkelnadel – so sieht es zumindest fertig aus. Andere sagen, es ist Zeichnen mit der Nähmaschine. Heute gibt es das fast nicht mehr, weil digitale Nähmaschinen dieses „Zeichnen“ viel besser können. Und das „kurbeln“ kommt daher, das man den Nähtisch und damit den Stoff in die entsprechende Richtung gedreht hat – mit einer Kurbel. 

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