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Tell me what you want

 

Jetzt ist es mit einem Mal richtig herbstlich geworden. Eben gerade noch Sommer, Sonnenschein und Badewetter und „plötzlich“ sieht die Welt vor dem Fenster ganz anders aus. Das Licht ist verändert, die Farben haben sich gewandelt, die Luft ist kühler. 

 

Die Reaktion: ab an den Kleiderschrank, Schal und Mütze herausholen – es ist ja soooooo kalt! Heizung an. Und: dringend einen Grund finden, in den nächsten Einrichtungsladen zu fahren (vielleicht den großen blauen). Warum? Na, ist doch klar, wir brauchen Kerzen! 

 

Eindeutig: der Wechsel der Jahreszeiten verändert auch, wie wir uns einrichten, mit was wir uns umgeben. Und da es Länder gibt, in denen es aufgrund der geographischen Lage kühler ist, als in unseren Gefilden, der Sommer nicht so lang und die Winterzeit dafür scheinbar ewig, sieht dort auch die Inneneinrichtung, das Design anders aus. Eine ganz logische Entwicklung, abgeleitet aus den Gegebenheiten. Sieht man immer wieder auch an den Baumaterialien. Wo viele Bäume stehen, baut man auch die Häuser aus Holz. Viele Steine – Gebäude aus eben jenen. Alles andere wäre viel zu teuer und aufwändig (gewesen). 

 

Aber zurück in nördlichere Gefilde. Skandinavien. Ja, in vielen Köpfen eng verbunden mit Ikea – kann man schlecht leugnen. Aber natürlich so viel mehr! Oder weniger... Denn die Prinzipien des skandinavischen Designs sind tatsächlich Minimalismus (oder Schlichtheit) und Funktionalität. Alvar Aalto, Arne Jacobsen, Verner Panton werden gerne als die Begründer genannt – tatsächlich sind sie unter den ersten „Ausführenden“, die Wurzeln sind politisch. Es ist die skandinavische Form der Sozialdemokratie, die die Grundlage bildet. Dänemark, Norwegen, Finnland, Island und auch Schweden finanzieren im internationalen Vergleich hohe umfassende Sozialleistungen, eine intensive Bildungspolitik und sehr hohe staatliche Forschungsförderungen aus Steuern. Dadurch bietet sich den Bürgern eine große soziale Sicherheit. Auch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf hat einen hohen gesellschaftlichen Stellenwert. 

 

Was das mit Design, mit Möbeln und Gebrauchsgegenständen zu tun hat? Nun, auch hier wurden bereits in den 1950er Jahren (tatsächlich auch schon vorher) in den skandinavischen Ländern preisgünstige Materialien und Massenprodukte entwickelt und umgesetzt. Aber nicht billig = Schrott. Sondern kostengünstig, schlicht, funktional und für möglichst viele Einsatzwecke und -orte geeignet. Und somit für viele Menschen. Demokratisches Design. Bei Ingmar Kamprad direkt umgesetzt: Hilfst du mit, dein Möbelstück zusammenzubauen, kann ich es dir günstiger verkaufen. 

 

Geht aber noch viel weiter. Und ist heute noch genauso da. Oder noch mehr. Und wichtig. Nicht Design fürMenschen. Sondern mit. Partizipatives Design. Nicht mehr nur auf skandinavische Länder bezogen, sondern ein weltweites Phänomen. Zusammengefasst so was wie: alle einbeziehen und das Resultat wiederum möglichst vereinfachen. Klingt nicht nur kompliziert, ist es auch. Oder auch ganz einfach. Also, vielleicht kann man es sich so vorstellen: Tools, Werkzeuge zur Verfügung stellen, die Gesellschaft (wer immer das ist) nutzt diese, wendet sie an. Dadurch entsteht wiederum die Anwendung selbst – etwas Neues. 

 

Beispiel? Also gut: Wir gehen los und kaufen uns ein elektrisches Gerät. Die Basis. Kostengünstig, weil universell einsetzbar, Massenprodukt. 

Dieses Gerät können wir individualisieren durch Module, die wir ergänzen, anfügen. Also vielleicht Zierblenden, in unterschiedlichen Farben. Wiederum kostengünstig, Massenprodukt. Dann können wir aber auch modifizieren durch Applikation. Apps. Software. Das Gerät wird immer individueller. Entspricht immer mehr unseren Bedürfnissen. Wir „arbeiten“ quasi mit am Produkt. Hierfür gibt es keinen vorgegebenen Prozess. Es entwickelt sich durch Wiederholungen. Schrittweise. Und wird immer „besser“. Am Ende sind im Idealfall alle glücklich(er).

 

Nur ein kleines Beispiel. Aber so geht’s. In vielen Dimensionen. Nicht nur bezogen auf die reinen Gebrauchsgegenstände oder Möbel. Sondern in allen Bereichen unseres Lebens. Klingt verrückt? Ist es gar nicht!

 

Beinhaltet aber auch ein gewisses Maß an „Aufräumen“. Denn wenn am Anfang schon alles zugemüllt ist, ist das Endprodukt unbrauchbar. Heißt: regelmäßig ausmisten, alles entfernen, was nicht essenziell ist. 

 

Und damit kommen wir wieder zu Alvar Aalto, Arne Jacobsen, Verner Panton. Auch die haben versucht, ihre Möbelentwürfe „clean“ zu halten. Klare Linien. Alles weg, was nicht unbedingt notwendig ist. Kein Schmuck, keine Schnörkel. Arne Jacobsen entwickelte Sitzmöbel, die sich an organischen Formen orientierten und entsprechende Namen erhielten (ein Ausdruck seiner Naturverbundenheit): Die Ameise, das Ei, der Schwan,... Werfen wir mal einen genaueren Blick auf die „Ameise“, den Stuhl mit der Modellnummer 3100 aus dem Jahr 1951/52. Drei Beine aus Stahlrohr, gebogene Furnierholzplatte die ein bisschen an den Körper des Insekts erinnert. Nicht mehr. Aufgeräumt. Clean. Leicht. Vielleicht ein bisschen zu sehr. Die drei Beine waren vielleicht doch eins zu wenig. 1955 die Weiterentwicklung, die Serie 7 – jetzt mit vier Beinen. Bis heute produziert. Hat immer noch seine „Gültigkeit“. Ein Klassiker. Das Hauptmerkmal von skandinavischem Design. 

 

Erweitern wir an dieser Stelle wieder den Blick. Menschen in skandinavischen Ländern sind viel draußen. In der Natur. Entsprechend ist das Design. Sind die Möbel. Durch Elemente inspiriert, die man dort findet. Blätter, Bäume, Holz. 

 

Auch die vorherrschende Farbpalette orientiert sich in diese Richtung: helle Pastell- und Erdtöne. Aber auch Kontraste, Farbkleckse in strahlendem Orange, Grün, Blau, Rot. 

 

Und dabei immer funktional aber unaufdringlich. 

 

So übrigens auch in der Einrichtung. Nicht viele Gegenstände – Stichwort aufgeräumt. Das Leben in Skandinavien war früher hart, die Mittel für üppige Dekorationen nicht vorhanden. Das hat sich geändert – der Stil nicht. Das moderne skandinavische Design wollte den Menschen das Leben erleichtern, angenehmer machen. Einfache, aber wertige Produkte wurden entwickelt. Mit den Nutzern im Fokus. Ihre Bedürfnisse zählten. Und wenn es draußen dunkel wird, schaltet man nicht (nur) das elektrische Licht an. Kerzen werden angezündet, warme, natürliche Materialien und Texturen ergänzen die funktionalen Aspekte der Einrichtung. Nennt man dann „hyggelig“. Übersetzt so was wie gemütlich. Aber eigentlich ist es mehr. Es ist dieses Wohlige, Wärmende – eben das, was wir uns jetzt alle gerne nach Hause holen möchten. 

 

Also.

Kerzen anzünden.

Bücher rausholen.

Ab unter die kuscheligen Wolldecken.

Genießen!

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