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Wurst, Weckle, Wahrzeichen

 

Sonntags morgens, wenn die Balkontür weit geöffnet ist, hört man sie: klangvoll, melodisch, ein paar helle Töne, ein paar dumpfe – die Glocken des Freiburger Münsters. Und irgendwie ist es sehr schön, diese Klänge zu hören, auch wenn ich mit der katholischen Kirche nichts am Hut habe und auch noch nie zu einer Messe im Münster war. Trotzdem höre ich gerne die Glocken, trotzdem gehe ich auch gerne in unsere gotische Kathedrale hier in Freiburg. 

 

Wir können ja heute mal zusammen dem Münster einen Besuch abstatten – in Worten und in Gedanken und in Bildern. In echt ist es im Moment nur mit zwei Personen, zwei Haushalten möglich, aber irgendwann vielleicht können wir ja mal gemeinsam „in echt“ dort hineinschauen.

 

Also, los geht’s, auf zum Münster! 

 

Die Kathedrale steht in der mittelalterlichen Altstadt von Freiburg, mit dem Schlossberg und damit mit viel Wald im Rücken. Auf dem Platz ist unter der Woche an den Vormittagen der Bär los: es ist Marktzeit. Jeden Tag. Außer Sonntag und an den katholischen Feiertagen. Jeden Tag Markt, jeden Tag die Möglichkeit, die erntefrischen Produkte auf dem Bauernmarkt auf der Nordseite des Münsters einzukaufen oder auf der Südseite entlang der Stände zu bummeln und sich den Geruch von Oliven, Käse, frischem Brot und Schwarzwälder Schinken um die Nase wehen zu lassen. Mmmmmmhhhhh!

 

Und ein Duft lockt auf dem ganzen Markt. Der Duft der Bratwurst, der Freiburger „Langen Roten“. Ganz klar ein Freiburger Wahrzeichen und mit Sicherheit so bekannt wie das Münster und die Bächle! „Lange Rote“, der Name sagt es, sie ist lang! Um genau zu sein 35 cm. Und es gibt – mal mehr, mal weniger ernsthafte – Auseinandersetzungen darüber, ob man sie sich durchgebrochen im Weckle servieren lässt oder am Stück. Ein geschmacklicher Unterschied, ganz klar! Oh, und dann auch noch die schwierige Entscheidung, ob man sie mit Zwiebeln oder ohne zu verspeisen wünscht... Besser man bereitet sich auf den Besuch am Wurststand gut vor. Zumal es auch der Entscheidung bedarf, zu welchem der sieben Stände man sich locken lässt...

 

Wir vertagen die Entscheidung auf später und gehen erstmal ins Münster – schließlich war das unser heutiges Ziel! ...das Äußere schauen wir uns an einem Nachmittag genauer an, dann sieht man es auch besser, weil die ganzen Stände nicht auf dem Platz stehen. 

 

Auf zum Hauptportal auf der Westseite. Zugegeben, es fällt mir ein bisschen schwer, jetzt hier einfach durchzulaufen: fast 500 Figuren sind hier zu sehen. Alle farbig gefasst. Biblische Gestalten, die schönen Künste, das betende Teufelchen... Auch hier kommen wir bestimmt noch mal hin und schauen uns dann etwas genauer um! 

 

Also, Augen zu und durch. Zur Tür. Eine schwere Tür aus Holz, wir müssen schon ordentlich dran ziehen, um sie aufzubekommen. Hinein mit uns, den dicken Vorhang zur Seite geschoben, drei Schritte nach vorn und kurz stehen bleiben. 

 

Unsere Augen gewöhnen sich langsam an das etwas dunklere Licht hier drin. Ja, es ist nicht besonders hell im Innenraum und wir verwenden dann gerne mal den Begriff vom düsteren Mittelalter. Mmmmh, aber dunkler war es damals auch nicht als heute – zumindest draußen. Wir setzen hier ganz gerne unsere heutigen Maßstäbe an und, was soll ich sagen, die sind ein bisschen verdorben. Durch das elektrische Licht. Wir sind einfach „mehr hell“ gewöhnt und haben deshalb den Eindruck, dass dieses Mittelalter eine recht dunkle Angelegenheit gewesen sein muss. Klar, aus unserer heutigen Sicht schon. Heißt aber nicht, dass die Zeitgenossen das so empfanden. Gab halt keinen Strom. Nur Kerzen. Wie auch immer, jetzt haben wir uns langsam eingewöhnt und können mal ein paar Schritte den Hauptgang hinunter gehen, damit wir hier im Eingangsbereich nicht im Weg stehen. 

 

Wir sind durch das Westportal in die Kirche hineingegangen, haben also vor uns im Osten den Chor mit dem Altar liegen. Übrigens sind fast alle Kirchen sind „geostet“, also zur aufgehenden Sonne hin gerichtet, von hier kommt das Licht, der neue Morgen und damit die Hoffnung. Gleichzusetzen mit Jesus Christus und die Verkündung seiner Botschaft zu der sich die Menschen hinwenden sollen. [Kleine Anmerkung am Rande: ja, durch die Ost-West-Ausrichtung der Kirchen könnte man sich an fremden Orten gut orientieren: Eingang Westen, Chor Osten – prima. ABER: ich habe gesagt FAST ALLE Kirchen sind geostet. Ausnahmen bestätigen die Regel. Kirchen können auch aufgrund der Boden- und Geländebeschaffenheit zum Beispiel anders ausgerichtet sein. Also, ich bin nicht schuld falls sich irgendjemand beim nächsten (möglichen) Urlaub verläuft J].

 

Links und rechts von uns sind mächtige Bündelpfeiler aus rotem Bundsandstein. Sie bündeln im wahrsten Sinne des Wortes, nämlich den Schub, der von den hohen Wänden und der Decke abgeleitet wird. Dicke Stränge ziehen sich wie Adern über die Decke und dann nach unten in die Pfeiler hinein. Es sind insgesamt zwölf Pfeiler und jeder steht symbolisch auch für einen Apostel, die im übertragenen Sinne die Kirche tragen. An den Pfeilern befinden sich zudem auch Skulpturen der Apostel. Und wenn man genau hinschaut, fällt beim Dritten auf der linken Seite ein kleiner Unterschied zu den anderen auf. Dieser Apostel trägt als einziger Schuhe! Alle anderen sind barfuß – die Füße schauen unter dem Gewandsaum hervor. Warum der eine Schuhe trägt? Es ist der Hl. Bartholomäus, den wir in vielen Darstellungen mit Messer und abgezogener Haut sehen. Dies soll an sein eigenes Schicksal erinnern, laut dem ihm bei lebendigem Leib die Haut abgezogen wurde, bevor man ihn ans Kreuz schlug. Bartholomäus ist der Schutzpatron der Bauern, Bergleute und vieler anderer, aber eben auch der Gerber und Schuster. So, und damit kommen wir auf die Spur: Die Skulpturen vor den Bündelpfeilern sind von den Freiburger Zünften gestiftet worden, die des Bartholomäus von den Schustern. Na ja, und die konnten es natürlich nicht auf sich sitzen lassen, dass ihr Schutzpatron in der Kirche ohne Schuhe steht... Et voilà!

 

Ebenso wie die Skulpturen sind auch die wunderschönen Buntglasfenster von den Zünften gestiftet worden – deshalb findet man auch hier im unteren Bereich deren Zunftzeichen eingelassen. Ein Stiefel für die Schuhmacher, eine Brezel für die Bäcker, die Schneider hatten eine Schere und so weiter. Die Fenster setzen sich aus vielen kleinen bunten Glasstücken zusammen. Dieses Glas wurde im nahen Schwarzwald hergestellt, alle Ressourcen waren dort vorhanden: Quarzsand, Pottasche und natürlich das Holz, um bei sehr hohen Temperaturen diese Mischung zu erhitzen. Zur heißen, geschmolzenen Masse hat man dann noch Metalle hinzugefügt, so wurde das Glas gefärbt. Eisen für grünes Glas, Kupfer für rot und Kobalt für blau. Zum Verbinden der einzelnen Glaselemente wurde Blei verwendet. Und schon entstanden die schönsten Bildwerke, die die biblische Geschichte, die Legenden der Heiligen und vieles mehr erzählen. 

 

Ganz am Ende des Ganges im Mittelschiff stehen wir vor dem Altarraum, dem Chor. Dieser Bereich war den Geistlichen vorbehalten, kein „normaler“, also weltlicher Mensch durfte ihn betreten. An seinem Ende steht heute der wunderschöne Altar, der von einem Schüler Albrecht Dürers, Hans Baldung Grien, zwischen 1512 und 1516 angefertigt worden ist. Es ist ein Wandelaltar, den man auf und zu klappen kann: Momentan sieht man die Krönung Mariens auf dem mittleren Feld. Wenn bald die Adventszeit beginnt, werden die seitlichen Flügel zugeklappt und man sieht die Geschichte Christi. Jedes dieser Mittelbilder ist übrigens ca. 2,50m x 2,30m und die Seitenflügel entsprechend halb so groß. Ein gewaltiger Altar!

Während 40 Tagen im Jahr sieht man übrigens gar nichts von dem gesamten Altar – in der Fastenzeit. Dann hängt eines der schwersten und größten Fastentücher Europas im Chorraum. Es ist 12,5 x 10m groß, stammt aus dem Jahr 1612 und zeigt den gekreuzigten Christus. Die 13 Bahnen Leintuch wiegen insgesamt über eine Tonne! Bemalt wurden sie von dem französischen Maler Francois Arparel.

 

Jetzt haben wir schon ganz schön viel gesehen und Entdecken macht ja bekanntlich hungrig... Ich schlage vor, wir gehen raus an einen der Wurststände und holen uns eine leckere, duftende Bratwurst, das Münster schauen wir uns bei Gelegenheit noch einmal genauer an. 

 

„Eine lange Rote ohne!“

„Am Stück oder geknickt?“

„...am Stück.“

„2,80 €“

„3€ - stimmt so.“

„‘n guten!“

„Danke.“

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