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Bleibt alles anders

Schwups, schon ist vom November auch wieder mehr als die Hälfte rum. Das Jahr 2020 neigt sich dem Ende. Manch einer wünscht sich, dass dies doch bitte noch schneller gehen möge und 2021 vielleicht etwas früher anfängt. Weil irgendwie damit der Gedanke verbunden ist, dass mit einem neuen Jahr auch alles neu anfängt. So als könnte man die Reset-Taste drücken und zurückkehren zu... 

 

Aber wohin denn eigentlich? 

 

„Zum Normalen.“ Das ist wohl die häufigste Antwort. 

 

Aber was ist denn normal? Ist nicht das, was wir gerade als Ist-Zustand haben, normal? Ja, es gefällt uns vielleicht nicht so unbedingt. Aber ist es deshalb nicht trotzdem normal... 

 

Kürzlich erst habe ich für einen Artikel wieder einmal ein paar Fotos von einer meiner Lieblingsskulpturen durchgesehen. Ich habe übrigens ein paar Lieblingsskulpturen, zum Beispiel die barocken Skulpturen von Gianlorenzo Bernini und da besonders „Apoll und Daphne“ (ich setze unter den Text mal einen Link zu der Skulptur). Oder auch die „Petite danseuse de 14 ans“ von Edgar Degas... Aber ich schweife ab! (und setze auch zu dieser Bronze einen Link unter den Text).

 

Also, die Fotos, die ich für den Artikel durchgesehen habe, sind hier in Freiburg entstanden, im Stadtteil Stühlinger. Sie zeigen einen riesigen Gartenschlauch. Überdimensional groß steht er im Eschholzpark. Rot und Silber. 10 Meter hoch. Der Schlauch  - wenn man ihn abrollen könnte – 130 Meter lang. Er endet über einem kleinen Wasserbecken. Und wenn man sich vorstellt, dass aus dem roten Ungetüm (mit immerhin 55 Zentimetern Durchmesser) Wasser sprudeln würde, dann wäre diese kleine Schale wahrscheinlich ratzfatz geflutet.

 

Trotz seiner Monumentalität sehen viele, die vorbeigehen oder auf dem Fahrrad vorbeifahren, den Schlauch gar nicht (mehr). Dabei lohnt sich hinsehen. Sehr!

 

Geschaffen wurde dieses Riesending Anfang der 1980er von Claes Oldenburg und Coosje van Bruggen. In dieser Zeit „explodierte“ Freiburg geradezu: neue Wohngebiete entstanden, viele Menschen kamen in die Stadt. Im Zuge dessen sollte auch ein neues Berufschulzentrum entstehen, etwas außerhalb der Altstadt, im Stadtteil Stühlinger. Hier hatten sich Ende des 19. Jahrhunderts mit der zunehmenden Industrialisierung einige Fabriken angesiedelt, genauso gab es aber auch Wohnbebauung. Üblich war es damals, dass zur Versorgung der Bevölkerung gewisse Flächen ausgewiesen wurden, die unter anderem als Schrebergärten genutzt werden konnten. Nahe der Stadt, gut zu erreichen. 

 

So und nun wieder ins 20. Jahrhundert. Wie gesagt, Freiburg wuchs (wächst bis heute). Und man brauchte den Innenstadtnahen Bereich für Gebäude wie zum Beispiel die erwähnte Schule. Kein Platz mehr für Kleingartenanlagen. 

 

Wie bei öffentlichen Bauten üblich, sollte ein prozentualer Anteil der Bausumme für Kunst am Bau investiert werden – hierfür gibt es eine Verpflichtung des Bundes und der Länder, die in entsprechenden Regelungen festgehalten ist. Übrigens gibt es die ersten Ansätze hierfür bereits Anfang des 20. Jahrhunderts, als nach dem Ersten Weltkrieg die wirtschaftliche Lage der Künstler so miserabel war, dass man sich Maßnahmen überlegt hat, um sie zu unterstützen. Geförderte Projekte waren ein Teil davon. Zu weitreichenderer Bedeutung gelangten diesen Maßnahmen mit den immer größeren Bauprojekten in Deutschland ab den 1960ern und den folglich auch steigenden Summen, die hierfür investiert wurden. In der Regel ist es etwa 1% der Baukosten, die für Kunstwerke verwendet wird. 

 

Aber ich schweife schon wieder ab. Anfang der 1980er wurde also ein Wettbewerb ausgeschrieben, an dem sich auch das Künstlerpaar Claes Oldenburg & Coosje van Bruggen beteiligte. Ihr Metier: sogenannte Blow-Ups, also Alltagsgegenstände in überdimensionierten Ausmaßen. Meist in bunten Farben. Pop Art. (Claes Oldenburg ist einer der bedeutendsten Vertreter dieser Kunstrichtung.) Zu finden sind Werke zum Beispiel in Kassel in der Fuldaaue, wo als „Überbleibsel“ einer documenta sich eine riesige Spitzhacke in den Boden bohrt oder in Köln, wo auf dem Kaufhaus am Neumarkt eine Eistüte thront...

 

Oldenburg soll mal gesagt haben, „Ich mag keine Kunst, die im Museum auf ihrem Hintern sitzt.“  Und genau das tut sie auch nicht. Sie ist nicht im Museum, sie ist draußen. Steht mitten im Weg. Drängt sich auf. Ist da. Kunst im öffentlichen Raum. 

 

Es erübrigt sich, zu sagen, dass Oldenburg & van Bruggen den Wettbewerb gewonnen haben. Dann hat es aber nochmal zwei Jahre gedauert, bis die Skulptur aufgestellt wurde. Erst wurden in einem Stahlwerk im Ruhrgebiet die dicken Rohre gebogen, nach Freiburg transportiert, ... Und dann stand (und steht es) da. 

 

Es gibt die Theorie, dass der Wasserhahn selbst mit seinem kreuzförmigen Griff an das Zähringer Kreuz erinnern soll – schließlich ist Freiburg von eben jenem Geschlecht gegründet worden. Joah, kann sein. Find ich aber hier nicht so wichtig. Für mich steht etwas anderes im Vordergrund. Nämlich der Schlauch als ein (positives) Symbol für die Veränderung. Wie gesagt, waren an der Stelle des Parks früher Schrebergärten. Diese wurden sehr wahrscheinlich auch bewässert. Vielleicht nicht immer mit Wasserschläuchen, vielleicht auch mit Gießkannen. Nun sind die Gärten weg, der Schlauch ist geblieben. Ärgerlich für all jene, die ihren Garten verloren haben. Gut für diejenigen, die seitdem das Schulzentrum und den Park nutzen. 


Der Schlauch bringt das Wasser. 

Da wo das feuchte Nass vorhanden ist, kann Neues entstehen. 

Aus Alt wird Neu. 

Veränderung. 

 

Deshalb ist dieses charmante rote Riesenmonster für mich mit etwas absolut Positivem verbunden. Denn nicht alles, das sich ändert, wird doof. Es kann auch gut werden. Und deshalb finde ich auch, dass wir eine Chance in der momentanen Veränderung sehen können. Im alten „Normal“ war auch nicht alles Glitzerstaub und Goldregen – das wird’s im Neuen auch nicht. Oder vielleicht doch? 

 

Auf alle Fälle wird es das, was wir draus machen.

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