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Der Zufall geht Wege, ...  

 

Ich gehe mal von mir selbst aus: Ich liiiiiiebe es, zu organisieren. Pflege meinen Kalender (bis vor kurzem auch noch handschriftlich - mittlerweile dann doch digital,... obwohl...vielleicht werde ich rückfällig...). Weiß, wo ich mein Impfbuch finde und in welcher Kiste die Weihnachtsdeko ist. Bin in 99% aller Fälle bei Verabredungen und Terminen pünktlich vor Ort (ok – meist schon eine Viertelstunde vorher). 

 

Kurz gesagt: Unvorhergesehenes ist nicht so meins. 

Aber Zufall, den finde ich super! 

 

Werfen wir mal einen kurzen Blick in die Kunstgeschichte:  Die ist über viele Jahrhunderte geprägt von dem Streben nach dem mimetischen Abbild der realen Wirklichkeit. Also der Idee, die Natur möglichst perfekt mit Farbe und Pinsel auf der Leinwand darzustellen. Hier war es die Hand des Künstlers, die in einem bewussten Akt den Pinsel an einer bestimmten Stelle auf der Leinwand platzierte und so nach und nach ein Bild entstehen ließ. 

 

Als Mitte des 19. Jahrhunderts mit der Erfindung der Fotografie eine technische Möglichkeit gegeben ist, die Realität binnen kurzer Zeit abbildgetreu einzufangen, ist dieser Aspekt der Malerei sozusagen „überflüssig“ geworden. Es sind nun die Impressionisten wie Claude Monet oder auch Auguste Renoir, die versuchen, „mehr“ darzustellen – sich mit Licht und Schatten auseinandersetzen. Und den daraus entstehenden Farben. Impressionen, flüchtige Eindrücke sind für sie die Herausforderung. 

 

Anfang des 20. Jahrhunderts sind es dann die Surrealisten, die noch eine Stufe weitergehen. Salvador Dalí zum Beispiel versucht, die Träume, das Unbewusste und die Phantasie in seinen Werken zu zeigen. Mehr als die Realität, das Surreale. Manchmal erscheint das ganz schön verrückt!

 

Etwa gleichzeitig macht Marcel Duchamp aus Gebrauchsgegenständen, die er nicht selbst erschuf, sondern die zufällig seinen Weg kreuzten, Kunst. So genannte „Ready-Mades“. Er findet etwas, greift es aus seinem Umfeld heraus, „macht es zu Kunst“. Ja teilweise traf er mit den Gegenständen anonyme Verabredungen, trug sich Termine in seinen Kalender ein und jener Gegenstand, der zu diesem Zeitpunkt „da war“, wurde von ihm zum Kunstgegenstand erhoben. Der Zufall brachte Künstler und Objekt zusammen. Und ließ großartige Dinge entstehen!

 

Jackson Pollock überließ ebenso weitestgehend die Gestaltung seiner Werke dem Zufall. Bei seinen Drippings legte er den Boden des Ateliers mit Leinwand aus, stach Löcher in die Böden von Farbdosen und schwenkte diese in großen Bewegungen über die Leinwand. Er entzog somit den Farbauftrag, die Menge und den Verlauf nahezu komplett aus seinem Einfluss. 

 

Noch einen Schritt weiter geht Alexander Calder. Er nutzt in seinen kinetischen Werken den Wind. Seine Mobiles arrangieren sich je nach Luftzug, pendeln, schwingen – die Hand des Künstlers hat hierauf keinen Einfluss mehr. 

 

In all diesen Kunstformen spielt der Zufall eine wesentliche Rolle, ist er es, der Grenzen verschiebt, der Kreativität neuen Raum gibt, bekannte Dinge in neue Zusammenhänge setzt. 

 

So, und hier beende ich meinen Gedanken, den ich Eingangs in den Raum gestellt habe:

Unvorhergesehenes find ich doof – Zufall mag ich.

 

(Zugegeben, meist weiß ich erst hinterher, was in welche Kategorie „gehört“.) Unvorhergesehenes sind unbequeme Sachen, also im Stau stehen, die Dose Kakao fällt genau dann runter, wenn man es eilig hat, die Technik streikt, wenn man sie dringend braucht,...

 

Zufall hingegen ist für mich eine Chance. Da passieren Dinge, aus denen sich was total Gutes entwickelt. Manchmal erstaunt es einen selbst, was da kommt! Und der Zufall kommt meistens dann, wenn ich es nicht eilig habe. Unvorgesehenes passiert im Stress. In letzter Zeit habe ich persönlich dem Zufall zu wenig Raum gegeben. Weil so viel anderes war. Organisiertes. Und für mich wird es höchste Eisenbahn, dem Zufall wieder mehr Zeit zu geben. Die Dinge laufen zu lassen. Und dann zu schauen, was draus wird...

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