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...es ist überall!   

Nein, der Titel bezieht sich - ausnahmsweise muss man ja schon fast sagen – mal nicht auf einen Virus. Aber überall ist „es“ dennoch! Ja, ich drücke mich schon wieder etwas kryptisch aus, ich weiß. Ich komme auf den Punkt: heute geht es um Design. Oder sollten wir lieber von Gestaltung sprechen?

 

Schauen wir uns doch mal um. (Also, ich mache das mal kurz beispielhaft vor.) Ich sitze gerade in meinem Arbeitszimmer. An einem Schreibtisch. Auf einem Stuhl. Vor einem Bildschirm. Und einer Tastatur. Gerade habe ich einen Kaffee getrunken, aus einer Tasse. Dazu gab es einen Keks. Na gut, zwei. All diese gerade beschriebenen Dinge sind Design, sind gestaltet. Ja, auch der Kaffee und der Keks. Nicht nur in ihrer äußeren Form, sondern auch im Geschmack, der Farbe, dem „Crunch“, dem Aroma, dem Duft,... Ok, ich glaube, jetzt ist klar, was ich sagen will. 

 

Es gibt ganz wenig Dinge in unserem Alltag, um die sich nicht jemand Gedanken gemacht. Gedanken darüber, wie sie dem jeweiligen Nutzer noch dienlicher sein können. Noch angenehmer. Noch – ach, alles Mögliche! Ein Fehler zu glauben, dass irgendetwas nicht gestaltet ist. Sogar die Topfpflanze auf meinem Schreibtisch. Ja, natürlich ist das eine Pflanze. Die wächst. (Meistens jedenfalls.) Aber wie sie wächst, wie sie aussieht – das ist alles ja nicht mehr der ursprüngliche „wilde Urzustand“ den diese Pflanze einmal gehabt hat. Das ist ja auch ein an unsere heutigen Bedürfnisse angepasster (gestalteter) Zustand. 

 

Selbst wir „gestalten“ uns ja. Färben unsere Haare. Tragen Zahnspangen für gerade Zähne. Machen Diäten. Lassen chirurgische Eingriffe vornehmen, um die Nase zu korrigieren, die Ohren, ... (An dieser Stelle sei ein kleines Wortspiel gestattet: wir sind ja auch Gestalten! Also gestaltete Gestalten!) (Oh weh, jetzt wir wieder an dem Punkt, wo die Worte sich komisch anhören. Das passiert, wenn man ein Wort sehr häufig wiederholt. Je mehr man dies tut, um so komischer hört es sich an. Gestalt.) 

 

Zurück aber zum Ausgangspunkt: ich glaube, wir sind uns grundsätzlich einig darüber, dass wir in einer gestalteten Welt leben, also von Design umgeben sind. Und all dies ist politisch. Von A bis Z. Oder von Gestaltung bis Kaufentscheidung, von Material bis Form. Wir treffen also mit jedem Gegenstand, den wir gestalten bzw. den wir verwenden (oder eben nicht), eine politische Entscheidung. Design ist politisch. (Hierzu verweise ich auch gerne auf das Buch von Victor Papanek, „Design for the real world“, in dem dieser sich bereits vor Jahrzehnten, um genau diese Aspekte Gedanken gemacht hat.) Also, versuchen wir mal den Prozess der Gestaltung zu durchlaufen, um zu sehen, wie viele Entscheidungen getroffen werden und wie politisch zum Schluss das Gesamtpaket ist. (Die folgende Ausführung hat keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit, sondern dient nur der Veranschaulichung.)

 

Was nehmen wir denn mal? Ach, ich glaube, wir bleiben beim Keks. Wir gehen dahin zurück, als der Keks noch formlose Materie war – seine Bestandteile sind (laut Packungsangabe): Weizenmehl, Zucker, Kakaobutter, Kakaomasse (ja, mein Keks war mit Schokolade), Emulgator, Hühnervollei, Speisesalz, natürliches Vanillearoma. Und er kann Spuren von Schalenfrüchten enthalten. All diese Inhaltsstoffe wurden ja irgendwann mal von irgendwem ausgewählt. Eingekauft (der Kakao ist Fair Trade-Kakao lese ich übrigens weiter unten auf der Packung). Es wurden Entscheidungen gefällt, bezüglich Einkaufspreisen, Transport der Materialien, und und und. Da geht’s los mit den Entscheidungen und damit schon der bewussten Gestaltung dessen, was später mal ein Keks sein soll. Es geht natürlich weiter mit unter anderem der Entscheidung über die Form (rund, eckig, dick, dünn, sternförmig, hart, weich, bröselig, kompakt, ...) über die Verpackung (Plastik, Papier, einzeln verpackt, Großpackung, geordnet oder durcheinandergewürfelt, bunt, welche Farbe). Ok, steigen wir mal kurz aus dem Prozess aus: ich glaube, es wird klar, was an meinem kleinen harmlosen Keks schon alles für Entscheidungen hängen. Die ich alle mit gekauft und verzehrt habe. Also letztlich auch meine Wahl eine politische Entscheidung war. 

 

Und das war nur ein Keks. 

 

Das lässt sich übertragen auf alles. Ehrlich. Alles! 

 

Hinzu kommen die Situationen derer, die das jeweilige „Ding“ gefertigt haben. Arbeitsbedingungen. Bezahlung. You name it. Ich glaube, hier ist die politische Dimension ein bisschen offensichtlicher. (Ach, nur um das kurz anzumerken, mir geht es nicht darum, einen moralischen, ethischen oder wie auch immer gearteten Zeigefinger zu erheben. Es sollen hier „nur“ die Dimensionen veranschaulicht werden.) 

 

Und dann schauen wir nochmal auf die andere Seite – und hier möchte ich ganz gern auf Victor Papanek zurückkommen (der im Übrigen auch in manchen seiner Aussagen nicht immer so ganz stringent war und durchaus Kritikpunkte birgt!) Also, Papanek. Er hat sich immer dafür eingesetzt, dass niemand ausgegrenzt werden sollte. Es keine Normen geben kann und somit auch keine Minderheiten. Eine Anekdote dazu stammt aus seinem eigenen Leben: er beschreibt seine eigene Mutter als „klein“, nur ein paar Zentimeter größer, als nach medizinischen Maßstäben als „kleinwüchsig“ bezeichnet. Durch ihre Körpergröße hatte sie Schwierigkeiten, zum Beispiel an höhere Schränke zu gelangen – ein Phänomen, das Victor Papanek zum Anlass nimmt, einmal nachzurechnen. Wer ist denn noch davon betroffen außer seiner Mutter: Kinder, kleinere ältere Herren, asiatische Menschen sind häufig von kleinerem Wuchs, usw. Schlussendlich kam er auf eine Zahl von 1,2 Millionen. Und seine Mutter war keine Ausnahme mehr. Keine Minderheit. Und somit würde es sich schon „lohnen“ für das Phänomen „ich komm nicht an den Schrank“ eine Lösung zu finden – die Zielgruppe war (und ist) jedenfalls da. 

 

Anderes Beispiel: Smartphones sind (in der Regel) einhändig bedienbar. Liegt ja nicht daran, dass es so viele Menschen gibt, die von Geburt an, durch Unfall oder Krankheit oder warum auch immer nur einen Arm haben. Liegt daran, dass in so vielen Situationen wir alle mal „einarmig“ sind: wenn wir in der anderen Hand eine Einkaufstasche tragen oder ein Kind halten, ein Rad schieben, eine Tür öffnen, einen Arm vorübergehend in Gips haben, eine Kaffeetasse halten (oder einen Keks). 

 

Auch hier sind wir wieder bei dem Thema der „politischen Dimension“. Wann schließt Design wen aus oder ein? Na ja, und weil wir schon gerade beim Smartphone sind: wohin gehen eigentlich die ganzen Smartphones, wenn wir sie nicht mehr verwenden. Oh, ja, ich weiß: in die Schublade zu den anderen! Mmmmmh.... ist vielleicht nicht die beste Lösung. So wegen der verarbeiteten (und wiederverwendbaren) Rohstoffe zum Beispiel. Laut Hochrechnung des Branchenverbands BITKOM (2018) liegen 124 Millionen Handys in Schubladen. Und wenn man bedenkt, dass die u.a. aus Kupfer, Eisen, Alu, Nickel, Gold, Silber, seltenen Erden,... bestehen. Ganz schöne Verschwendung von Ressourcen! 

 

Ach so, und gestaltet ist es natürlich auch. Und jeder, der eines besitzt, gestaltet es weiter. Durch Bildschirmhintergründe, heruntergeladene Apps, Anpassungen auf persönliche Bedürfnisse, Klingeltöne, und alles mögliche andere. Design ist überall. Alles ist gestaltet. Auch dieser Artikel. Und der gestaltet sich in der Zwischenzeit als ganz schön lang. Deshalb mach ich jetzt hier einen Punkt und verweise auf weiterführende Literatur und Dokumentationen.

 

.  < das ist der Punkt

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