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„Ich brauch Tapetenwechsel“ 

sprach die  Birke 

 

und macht sich in der Dämmerung auf den Weg.

Ich brauch frischen Wind um meine Krone.

 

Diese Textzeilen stammen aus einem Lied von Hildegard Knef aus dem Jahr 1970. Und zumindest der Anfang ist ganz passend für die Situation, wie viele von uns sie momentan erleben. Der Wunsch, nach Abwechslung, anderen Orten, frischem Wind ist mittlerweile - bei mir zumindest – recht groß. Oder zumindest ist der Wunsch danach größer geworden, denn (machen wir uns da nichts vor) wir sehnen uns doch häufig genau nach dem, was eben gerade nicht da ist oder nicht sein. 

 

Spoiler: Für die Birke in o.g. Lied endet es nicht gut. Aber das Ende des Textes soll hier auch keine Rolle spielen, mir geht es jetzt und hier erstmal um den Tapetenwechsel, wanderlust, cambiamento d‘aria, changement d’air – Abwechslung! 

 

Damit wir uns da nicht falsch verstehen, ich fühle mich in unserem Zuhause durchaus sehr wohl, ich mag die Wohnung, genieße den Balkon, wir sind viel draußen... Trotzdem. Auf’s Meer schauen, Sand unter den Füßen spüren, eine Stadt erkunden, Museen besuchen – frischen Wind in der Krone genießen... 

Hach! 

Ok, ich höre jetzt auf, es wird nicht besser dadurch. 

 

Schauen wir doch lieber mal, was es eigentlich mit dieser „Tapete“ auf sich hat! (Hihihi, im Übrigen wieder so ein Wort, das sich immer komischer anhört, je öfter man es wiederholt!). Das Wort stammt aus dem Lateinischen „tapetum“ (oder auch „tapeta“) und heißt zunächst nichts anderes als Decke oder Teppich. Heute meint Tapete natürlich die Wandbekleidung, die übrigens ihren Ursprung im Orient hat. Na ja, und die Dekoration der Wände mit Malereien,  kennen wir schon seit Menschengedenken, sie gilt sogar als älteste überlieferte Kulturleistung des Menschen (neben der Bildhauerei). Soweit wir wissen (beziehungsweise es datieren können), sind die ältesten Höhlenmalereien bereits 31.500 Jahre vor Christus entstanden - die Malereien der Höhle von Lascaux zum Beispiel sind ursprünglich auf die Zeit um 17.000 v. Chr. datiert worden – mittlerweile geht man allerdings davon aus, dass sie sehr wahrscheinlich viiiiiel älter sind, also vielleicht auch bereist um 35.000 v. Chr. entstanden sind. 

 

Das direkte Bemalen der Wände ist allerdings im Orient (also dem Ursprung unserer Tapete) nicht üblich gewesen: hier hat man die Wände mit grooooßen Wandteppichen geschmückt – vor allem in den gehobenen Schichten. (Das hatte übrigens auch einen netten Nebeneffekt, vor allem als man die Tradition auch in unseren Gefilden übernommen hat: es war im Grunde genommen auch eine Isolierung der sonst ja „nackten“ Steinwände. Allerdings möchte ich auch nicht wissen, wie viele der Wandteppiche dem Schimmel zum Opfer gefallen sind: kalte Wände, dicker Behang davor, im Raum ein schönes Feuer und warm... eine perfekte Sporenbrutstelle (igitt). 

 

Im 11. Jahrhundert in Spanien kannte man übrigens auch schon geprägte Ledertapeten, die zum Teil aufwändig verziert waren und/oder auch vergoldet wurden. Ihre direkten Nachfolger sind (bedruckte) Pergamenttapeten, wie wir sie dann auch in anderen Teilen Europas kennen oder aber die Wandbehänge aus Stoff zum Beispiel in Italien. 

 

Ungefähr ab dem 14./15. Jahrhundert gibt es dann mit Mustern bemalte Papiere, die auf die Wand geklebt werden und der große Durchbruch passiert dann in England und Frankreich, wo ab dem Ende des 16. Jahrhunderts Papiertapetenhersteller bekannt sind. Zunächst wurden diese noch von Hand bedruckt, im Zuge der Industrialisierung konnte auch dieses dann von Maschinen übernommen werden. Hier bediente man sich der weiter fortgeschrittenen Möglichkeiten aus dem Stoffdruck. Natürlich veränderten sich die Muster nach dem jeweiligen Geschmack der Gesellschaft – das ist ja bis heute so! Übrigens die erste größere Tapetendruckerei wurde wohl 1789 in Kassel von Johann Christian Arnold gegründet, weitere kennt man dann zum Beispiel aus dem Elsass. (Hier gibt es jeweils auch Museen, wo man etwas tiefer in die Tapetenwelten eintauchen kann.)

 

Interessant finde ich, dass heute Tapeten ja zum „guten Ton“ gehören und man sie eigentlich überall findet, sie jedoch bis nach dem Zweiten Weltkrieg zumindest in Deutschland doch eher ein Luxusprodukt waren und sich erst ab den 1950er Jahren entsprechend durchgesetzt haben. 

 

Funfact: Die europäische Norm für Tapeten schreibt vor, dass eine Rolle 53 cm breit und 10,05 m lang sein muss. Weshalb so krumme Maße? Weiter oben steht die Lösung: Tapeten wurden vor allem in England entwickelt und da gelten andere Maßeinheiten, die umgerechnet in das metrische System eben zu „krummen“ Zahlen führen. (Tatsächlich waren es 22 Inch = 55 cm – Kleberand = 53 cm).

 

...der neueste Trend geht übrigens wieder zu Wandteppichen und auch die Kunstwelt entdeckt dieses Medium in den letzten Jahren wieder mehr und mehr für sich. Vielleicht die Gelegenheit für einen Tapetenwechsel? 

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Kommentare: 1
  • #1

    Walter Fuchs (Sonntag, 05 Februar 2023 13:25)

    toll!
    besonders der Text zum Tapetenwechsel der Birke.
    Ich frag mich was denn diese (Sie und ich und alle anderen) Menschen trennt. So herrliche Geschöpfe und doch so gefangen in sich selbst.
    Hat wohl seinen Sinn, sonst wären wir lauter Tropfen die das schöne Meer ergeben. Grüße aus 100 Tagen Sizilien.