· 

Haltbar machen  

Ich schicke gleich ein Geständnis vorweg: Ja, ich tue es! Ständig, überall und auch beim Essen. Beim Spazierengehen besonders gerne. Natürlich auch auf Reisen. Wenn ich darf, ebenso im Museum. Beim Arbeiten ist es etwas schwierig, aber wenn möglich, auch da. Morgens. Mittags. Abends. Nachts nicht. Da schlaf ich. Aber wenn ich nicht schlafe. Dann.

 

In letzter Zeit meistens mit dem Smartphone. 

 

Wie? 

Was?

 

Ach so!

 

Na: fotografieren!

 

Ja, gelegentlich nerve ich wahrscheinlich meine Zeitgenossen nicht so ganz unerheblich damit, dass ich überall stehen bleibe und „mal eben“ schnell noch etwas fotografiere, das mir ins Auge gefallen ist. Und mir fällt einiges ins Auge. Immer wieder. Ich kann quasi überhaupt nicht nicht fotografieren. Beziehungsweise, es fällt mir seeeeeeehr schwer. Das ist fast so, wie mit den Ideen. Die kommen auch ständig. Und die müssen dann ja auch irgendwo hin. Ich weiß gar nicht, wie viele Notizbücher, Blöcke, Blätter ich schon beschrieben habe, mit all den Dingen, die mir in den Sinn kommen. Meistens in den blödesten Situationen. Unter der Dusche. Und dann kann man da ja nicht schreiben. Also sage ich mir – wie ein Mantra – die immer gleichen Sachen, Zeilen, Worte immer wieder vor. Bis ich endlich Papier und Stift in die Hand bekomme. Ja, ich hab auch schon versucht, hier auf „digital“ umzuschwenken. Mit der Konsequenz, dass ich jetzt nicht nur tausende von Papier-Ideen, sondern eben auch noch drölfzig digitale habe. Kleiner Pro-Tipp von mir: die besten Ideen habe ich beim Schwimmen (ok, das geht im Moment ein bisschen schwierig, da die Schwimmbäder geschlossen sind) oder beim Bügeln. Ja. Beim. Bügeln. Das sind beides monotone, immer gleiche Handlungen, da kann man hervorragend „nebenbei“ denken. Einfach nur da sitzen und nichts tun ist übrigens auch blöd. Dann sprudeln sie auch. Vielleicht sollte ich irgendwann mal anfangen, Ideen zu verkaufen. Denn selber ausführen kann ich die tatsächlich nicht alle. Aber Ideen verkaufen, das wär’s! (Oh, das war schon wieder eine Idee... Moment. Ich.......)

 

So, bin wieder da!

Weg von den Ideen, wieder zurück zur Fotografie. Also, da ist es ähnlich. Ich sehe ständig irgendetwas, das „festgehalten“ werden muss, ein Moment, der es verdient, haltbar gemacht zu werden. ZUM GLÜCK GEHT DAS DIGITAL! Ich wäre ja nur noch am Film wechseln, wenn ich das noch alles analog knipsen würde. Oder. Vielleicht wäre es dann gar nicht so viel? Nee. Ich habe auch schon mit meiner heißgeliebten analogen Spiegelreflex (Canon AE1) viiiiiiel fotografiert. Mittlerweile habe ich die nicht mehr. Ihre Nachfolgerin war eine Canon EOS 1000 D – eine treue Begleiterin, mit einigen Lebensspuren und dann mochte sie nicht mehr. Nachfolgerin wurde dann eine Canon EOS 6D Mark II. Vollformat. Richtig cool. Aber passt halt nicht in die Hosentasche. Deshalb – teure Kamera hin oder her – mache ich die meisten Fotos mit dem Smartphone. (Ich bitte in diesem Moment um eine kurze Vorstellung von mir, wie ich hier vor dem Bildschirm sitze und mit den Schultern zucke.) 

 

Aber warum machen wir das eigentlich? Fotografieren. (Es bin ja nicht nur ich. Da fühlt sich bestimmt der ein oder andere beim Lesen angesprochen!). Also: warum? Wahrscheinlich, weil wir uns „ein Bild machen“ wollen. Im wahrsten Sinne des Wortes. Von der Welt, von unserem Leben, von allem. Ständig nehmen wir Dinge wahr. Passiert etwas um uns herum. Und mit dem Fotografieren versuchen wir, dem Ganzen ein bisschen Struktur zu geben. Zumindest ansatzweise das Gefühl zu haben, dass wir es beherrschen. Dieses Leben. Das Chaos. Das. Also: fotografieren, dann bleibt es. Dann ist es nicht nur ein flüchtiger Eindruck, den ich vielleicht gleich wieder vergesse. Oder eine Erinnerung, die nicht verschwindet, sondern mit Hilfe der Fotografie wieder auflebt. Jederzeit. Eben so, als würde man den Moment noch einmal erleben, wenn man das Foto anschaut. 

 

Viele Dinge, die wir aus unserem eigenen Leben meinen zu wissen, wissen wir doch gar nicht mehr wirklich. Also, ich meine, wir können uns daran nicht mehr genau erinnern. Sondern unser Gedächtnis wird gestützt, unterstützt, angestachelt durch ein Foto. Eine Momentaufnahme. Ich spreche in diesem Zusammenhang gerne von dem Geburtstag der Tante Kunigunde. (Nein, die habe ich nicht, und ich denke, wohl auch sonst nicht so viele Menschen, deshalb denke ich der Name ist einigermaßen unverfänglich und kann hier von mir verwendet werden.) Also: dieser Geburtstag liegt schon länger zurück. Und wir würden uns weder an eine genaue Sitzordnung noch an die Farbe der Sofakissen oder die grellbunte Farbe der Schleife in Tante Kunigundes Haar erinnern – wenn nicht: das Foto da wäre! (Hihihi, und ich möchte jetzt nicht wissen, vor wie vielen Augen lustige Bilder mit Haarschleifen entstanden sind! Bitte, gerne!). 

 

Also: Fotos - oder genereller - Bilder sind Gedächtnisstützen, Erinnerungsspeicher. Genauso übrigens wie Gerüche. Die können auch in unsere Nase gelangen und ratzfatz eine Erinnerung an bestimmte Personen, Situationen und vieles mehr hervorrufen. 

 

Vielleicht verarbeiten wir auch Dinge leichter, wenn wir sie uns noch einmal auf einem Foto anschauen. In einer Zeit, in der wir ja quasi unter einer permanenten Reizüberflutung leiden, wäre das also eine Bewältigungsstrategie. 

 

Und das Spannende daran ist ja, das jeder da seine:ihre eigene Sicht (sic!) hat. Also, ich kann ja mit einer Person zur gleichen Zeit am gleichen Ort sein, wir machen beide Fotos und die sehen dann hinterher doch ganz anders aus. Subjektive Eindrücke. Fotos können nicht objektiv sein. Denn derjenige, der fotografiert, wählt ja einen bestimmten Ausschnitt, einen bestimmten Moment, einen bestimmten Winkel,... Eben seine:ihre eigene Sicht. Sozusagen eine Vorauswahl für das, was dann spätere Betrachter:innen der Fotografie sehen. Spannend ist dieser Gedanke vor allem in Bezug auf vermeintlich „sachliche“ Dokumentarfotografie. Wie sachlich und objektiv kann diese denn sein? Wenn es doch eine Person ist, die den Auslöser drückt etc. (s.o.). Reportagen – gleiches Spiel. Immer ist da jemand „dazwischen“. Also zwischen dem Erleben und dem Anschauen. Selbst bei einem Porträt haben wir diese, mmmh, ja eigentlich eine Veränderung der Wirklichkeit. Also nicht mehr real, sondern gefiltert real. Und beim Porträt häufig ideal. (Im Übrigen sind Fotos ganz häufig idealisiert – zum Beispiel im Urlaub: meist fotografieren wir den schönen Strand, aber doch nicht den Müllberg nebendran. Obwohl der die Realität ist.). Also haben wir auch hier wieder subjektive (idealisierte) Aufnahmen. 

 

Selbst kritische Aufnahmen (also das Foto MIT Müllberg) sind ja subjektiv. Eine bewusste Entscheidung, den Haufen Überreste des menschlichen Alltags mit aufs Bild zu nehmen. 

 

Fotografie ist also nie wertfrei. Ohne eine Wertung. 

 

Zurück zu dem „warum“. Natürlich ist das auch subjektiv. Manche fotografieren viel. Manche wenig. Andere gar nicht.

Warum? 

Weil!

Kommentar schreiben

Kommentare: 0