Ok: wir spielen ein bisschen.
In Gedanken.
Wie wäre es, wenn wir uns auf eine Zeitreise begeben könnten? Also wirklich in eine Kapsel einsteigen und in jeder beliebigen Zeit, an jedem beliebigen Ort landen könnten. (An alle Realist:innen: ja, ich weiß, natürlich ist das in echt nicht möglich. Aber he, das hier ist mein Newsletter – da geht alles! ...na ok, fast alles. Eine Gedanken-Zeitreise jedenfalls geht.)
Also: anschnallen los geht’s...
HAAAAAALT!
Ich muss gestehen, ich habe ein bisschen Bedenken, dass wir nicht mehr ins Hier und Jetzt zurückkommen und möchte da natürlich gerne die entsprechende Rückversicherung haben. Ja, ich weiß, im Moment ist hier vielleicht gerade nicht alles so ganz prickelnd, aber mal ehrlich: so richtig nur schlecht ist das Ganze ja grundsätzlich auch nicht und bevor ich irgendwo verharren muss, wo es... Also, gebongt, wir kommen wieder genau da hin, wo wir losgeflogen sind.
Jetzt also: Feuer frei und auf geht es.
Wohin die Reise geht? Also, wenn es nach mir geht, dann statten wir den Medici im Florenz der Renaissance vielleicht einen kurzen Besuch ab. Lorenzo de‘ Medici wäre vielleicht ein ganz interessanter Gesprächspartner. Von Finanzen soll er ja nicht so viel Ahnung gehabt haben und die Familie ganz schön in die Misere geritten haben. Kein Spaß für seine Kinder, die das dann ausbaden mussten! Zehn Stück hatte er immerhin, wovon eines sogar Papst wurde: Papst Leo X. Ach ja, Lorenzo wurde übrigens 1449 geboren und ist 1492 auf ungeklärte Weise doch recht jung verstorben... Man munkelt, es war Gift im Spiel. Oder vielleicht war es auch nur die Arthrose...
Ok, jetzt habe ich gesagt, warum dieser Signore kein so guter Zielpunkt für unsere Reise wäre – aber es gibt natürlich auch Gründe, gerade mit ihm zu sprechen. Schließlich war sein Beiname „il Magnifico“, der Prächtige, das hört sich doch ganz vielversprechend an! Wenn man sich dann wiederum Gemälde anschaut (zum Beispiel eines von Agnolo Bronzino, das in den Uffizien in Florenz hängt), dann muss man sich doch fragen, wo der Name herrührt. Sagen wir mal so: an den äußeren Merkmalen lag es eher nicht. Heute würden wir wahrscheinlich sagen, Lorenzo hat das personal branding-Thema ganz gut beherrscht: er hat sich einen Namen gemacht. Als Kunstmäzen, als Förderer von zum Beispiel Leonardo da Vinci, Sandro Botticelli oder auch Michelangelo Buonarotti. Und da wären wir beim Thema. Aus diesem Grund nämlich würde ich mich ganz gern mal mit Signore de‘ Medici unterhalten. Er soll zum einen selbst ein hervorragender connaisseur der Literatur und Architektur gewesen sein (hat auch selbst gedichtet) und hat eben seine finanzielle Macht unter anderem genutzt, um Künstler zu unterstützen. Ich würde ihn gerne fragen, was er an ihnen geschätzt hat. Warum ausgerechnet diese? Und wo wir schon dabei sind könnte er ja auch so ein bisschen aus dem Nähkästchen plaudern und etwas aus dem Alltag berichten. Wie war denn so ein Tagesablauf im Hause de‘ Medici? Und könnten wir vielleicht mal mitkommen, wenn die Dichter und Denker, Künstler und überhaupt die ganze Schar zusammenkommt? Ich würde mich auch mucksmäuschenstill irgendwo in eine Ecke setzen. Einfach nur zuhören. Das fänd ich spannend.
Oh, ich höre gerade aus dem Font, die Renaissance ist nicht so die Sache von allen Mitreisenden... Ok, dann brechen wir wieder auf! Sollen wir lieber einen Abstecher ins Französische machen? Ist Versailles recht? Bisschen Glanz und Glamour des Barock? Blenden lassen durch den Sonnenkönig? Puh, ich weiß nicht. Echt? Aber nur kurz. Ist mir ein bisschen viel Protz in der Barockzeit ehrlich gesagt. Gold, Stuck, weiße Perücken und ausgestellte Kleider sind nicht so ganz mein Stil. Aber stimmt schon, irgendwie hat diese Opulenz auch etwas Faszinierendes. Vieles ist allerdings auch schöner Schein, Illusion. Viel Glanz und nichts dahinter. Zum Beispiel ist nicht alles, was wie Marmor aussieht, auch wirklich Marmor. Stuckmarmor ist das Zauberwort. Den finden wir an einigen Stellen, weil echter Marmor damals sehr teuer war und die Variante aus Alabastergips, Wasser und Knochenleim deutlich günstiger. Und durch die Zugabe von Pigmenten kann man nahezu jede Farbschattierung erzielen. Das Ganze wird dann auf den Untergrund aufgetragen, geschliffen, geschliffen, geschliffen,... Und ganz zum Schluss mit Öl oder einem Wachs überzogen damit es schön glänzt. Genauso wie echter. Heute ist beherrschen diese Technik nicht mehr viele Handwerker. Das liegt daran, dass in der Zwischenzeit Marmor industriell abgebaut wird und dadurch viel günstiger zu erwerben ist als zum Beispiel im 17. Jahrhundert noch. Es gibt übrigens einen Trick, wie man herausfindet, ob es sich etwa um echte Marmorsäulen handelt: Hand auflegen. Ja, nichts Spirituelles, sondern ganz praktisch: wird der Marmor unter der Hand (durch die eigene Körperwärme) warm, ist es kein echter. Bleibt er kalt – na klar: echt! In der Semperoper in Dresden im Treppenhaus gibt es übrigens wunderschöne (wiederhergestellte) Beispiele von Stuckmarmor.
Zurück nach Versailles. Ich habe es letztens gerade in einem Seminar gesagt: ich weiß nicht, ob ich die Barockzeit „olfaktorisch“ so gut ertragen könnte. Also ob ich sie riechen könnte. Oder wollte. Das ist, glaube ich, für unsere heutigen Nasen doch eine Herausforderung. Denken wir allein an die Perücken! Na, die werden fein geduftet haben! Vor allem ab dem 17. Jahrhundert, wo es üblich war, sie mit Mehl zu pudern. Immer und immer wieder. Und dann noch etwas Parfüm, um den Geruch zu übertünchen. Brrrrrpffffphhhbäh. Warum man die überhaupt getragen hat? Mode. Und zwar eine ganz praktische: Perücken wärmten. War in kalten Hallen ganz angenehm. Man konnte die eigenen Haare verstecken (ungewaschen und so) und wenn man nicht mehr so viele hatte, sah es auch keiner. ...das kam tatsächlich etwas häufiger vor – nicht nur erblich bedingt. Vor allem wegen der Syphilis bzw. deren Behandlung mit Quecksilbersalben oder -kuren. Müßig zu betonen, dass das nicht wirklich gesundheitsförderlich war... Beziehungsweise: hinterher hatte man vielleicht keine Syphilis mehr (auch keine Haare, aber das ist nur eine Nebenwirkung), sondern eben eine Schwermetallvergiftung und die war dann wahrscheinlich das letzte irdische Leiden.
Genug davon, wenden wir uns wirklichen Genüssen zu: Die Tafeln waren in der Barockzeit an den Herrscherhäusern meist üppig gedeckt, häufig standen mehrere Gerichte gleichzeitig auf dem Tisch: Pasteten, Suppen, dann Braten und Gemüse und zum Abschluss noch Käse oder etwas Süßes. Messer und Gabel waren übrigens noch nicht so weit verbreitet – auch in gehobenen Häusern wurde mit den Finger gegessen oder eben mit Löffeln. Finger abwischen an der Tischdecke ausdrücklich erlaubt. Spannend übrigens, dass es schon parfümierte Zahnstocher gab oder man Fenchelstängel als Atemerfrischer benutzt hat...
So, noch einmal kräftig zugreifen bitte, und dann düsen wir wieder zurück ins Jetzt.
>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>
>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>
>>>>>>>>>>>>>>>
Na, das hat doch gut geklappt! Alle aussteigen bitte, nichts auf und unter den Sitzen vergessen. Da hinten liegt noch ein Hühnerbeinchen, das bitte auch mitnehmen. Und wer hat denn da das Lächeln der Mona Lisa eingesteckt? Jetzt werden doch alle für immer denken, dass die Dame auf dem Bild von Leonardo da Vinci so komisch schaut...
Kommentar schreiben