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All you can eat  

Das kennt bestimmt jeder: manche Worte hören sich immer blöder an, je öfter man sie sagt. Also, eigentlich nicht nur manche, sondern alle. 

 

Ok, im Normalfall macht man das jetzt nicht ständig, aber vorkommen kann es schon einmal. Und die, die mich kennen, wissen, dass ich zu Sprache und Worten und Buchstaben und all dem, was damit zusammenhängt, eine gewisse Affinität habe. Ich reihe gerne Buchstaben aneinander, egal ob geschrieben oder gesprochen, hoffentlich meist mit Sinn (manchmal auch nicht) und im Idealfall kann jemand anderes etwas damit anfangen. 

 

Ich glaube, von meiner Liste der „verlorenen Wörter“ habe ich an dieser Stelle schon einmal berichtet. Heute geht es nicht um die, die so langsam aus unserem Alltag verschwinden (wie Flausen – ist es nicht ein schönes Wort? Wir sollten es viel öfter verwenden! Und öfters mal wieder Flausen im Kopf haben!) Also, die nicht. Aber nehmen wir mal Flausen, weil sie gerade da sind. Und nun sagen wir alle Flausen zehn Mal hintereinander. Ja, laut. Wie, die Leute drehen sich schon um? Ach, ist doch egal! Also: 

Flausen

Flau-sen

FLAU-sen

Flau-SEN

FLAUSEN

FFFFFFFF-LAU-SEN

FLLLLLLA-U-SEN

FLAUSSSSSSSSSSS-EN

Pflausen (huch, wo kommt denn das „P“ her?)

Flausen

Ist doch lustig. Und hört sich auch lustig an! Das Wort kommt übrigens aus einer Familie mit dem Wort Flausch und dieses wiederum stammt aus der Familie des mittelhochdeutschen vius – das Schaffell. Vlies gehört da ebenso dazu. Also von dem Schaffell fliegen kleine Stückchen, Knäulchen und Fädchen durch die Luft – die Flusen oder Flausen. 

 

Huch, wie sind wir denn hier gelandet? Ach so, ja, bei den Worten, die sich komisch anhören! Noch so ein Wort ist Besteck. (Nein, keine Angst das sagen wir nicht wieder so oft. Aber man kann es sich ja mal auf der Zunge zergehen lassen. – Oh, hihi, Wortspielerei!) Also Besteck, auf der Zunge zergehen lassen, woher kommt eigentlich der Begriff? Also, es begab sich einmal, vor recht langer Zeit (vor dem 16. Jahrhundert), da kannte man dieses Set von Esswerkzeug noch nicht. Als es dann – vor allem in den gehobenen Kreisen – in Mode kam, war es häufig aus wertvollen Materialien hergestellt. Also Silber, Elfenbein und so etwas. Leisten konnten sich das natürlich nur die gehobenen Bevölkerungsschichten. Und weil es eben so kostbar war, trug man es immer bei sich, in einem Etui, beziehungsweise in einer eigenes dafür angefertigten Tasche. In die hat man es hineingesteckt. Und weil man damals noch nicht hineinstecken gesagt hat, sondern bestecken, entstand für das Zeug, was man in das Futteral getan hat, der Begriff Besteck. 

 

Einzelne Teil davon gab es natürlich schon vorher. Also den Löffel zum Beispiel. Den hat man zum Schöpfen – quasi als Hand-Ersatz schon laaaaaaaange benutzt. Den Hand in heiße Speisen tauchen, kann schmerzhaft sein, also behalf man sich mit einer kleinen Schale, die an einem Stiel befestigt war. ...übrigens hieß diese kleine Schale „laffe“ – und von da ist es gar nicht mehr so weit bis zum Löffel. Das Messer ist auch schon ganz schön alt. Mindestens so alt wie der Löffel. Wurde aber eigentlich nicht zum Essen selbst, sondern zum Zerkleinern verwendet, bevor man sich dann die Portion mit den Fingern in den Mund gesteckt hat. Erst die Römer haben damit angefangen, das Messer direkt beim Essen einzusetzen. (Und an dieser Stelle höre ich immer meine Oma, die zu uns als Kindern gesagt hat, wir sollen bloß um Gottes willen auf keinen Fall Speisen mit dem Messer quasi direkt in den Mund stecken – wir könnten uns sonst die Zunge abschneiden! ...bis heute hängt mir das im Kopf und Messer abschlecken geht gar niemals nie nicht. Ich glaub, weil ich immer noch Angst habe, mir die Zunge abzuschneiden!). Die Römer und fortfolgende waren da ein bisschen unempfindlicher: Fleisch abgeschnitten und direkt auf der Messerklinge in den Mund befördert. Zack. 

 

Last but not least die Gabel. Die war ja nun wirklich überflüssig. Also, da waren ja die Finger. Braucht man doch nichts anderes! Und mal ehrlich: bei manchen Speisen ist es definitiv bis heute so, dass man sie mit den Fingern essen MUSS. Pommes zum Beispiel. Die schmecken doch mit der Gabel gar nicht!

Übrigens gab es damals, vor laaaanger Zeit noch einen Grund gegen den Einsatz einer Gabel: die meisten Speisen der Durchschnittsbevölkerung waren breiartig oder suppenähnlich – mit einer Gabel kommt man da nicht weit! Im Mittelalter galt sie sogar als Werkzeug des Teufels. Wollte man ja dann auch nicht zum Essen benutzen... Und war in Klöstern zum Beispiel sogar verboten!

 

Erst im 16. Jahrhundert etwa, greifen die gehobenen Kreise zu Gäbelchen. Die waren dann aus Elfenbein oder Gold und reich verziert – und meist von der Damenwelt benutzt. Weshalb sie bei den Herren verpönt waren. Ok, das muss man auch erstmal sacken lassen: mit der Gabel zu essen galt als „weibisch“ und sinnlos. Na bitte. Das hält sich bis ins 18. Jahrhundert. In adligen Kreisen. Im Rest der Bevölkerung länger. Denn noch haben wir das Thema mit den Speisen (s.o.) und dem Material der Gabeln. Konnte man sich eben auch nicht leisten. Erst mit der industriellen Revolution – wohlgemerkt in Europa und Nordamerika setzt diese in der Mitte des 19. Jahrhunderts ein! – gibt es günstigere Materialien und damit Gabeln für alle. Na gut: für viele. Massenproduktion war das Zauberwort. 

 

Spätestens in den 1950er Jahren setzten sich dann beim Besteck auch klare, funktionsorientierte Formen gegenüber dem schweren, schnörkeligen Werkzeug durch. Silber ist dann auch immer weniger in Mode – vor allem mit dem Aufkommen von Geschirrspülern bevorzugt man doch eher Edelstahl, weil unempfindlicher. Spannend ist, dass die grundsätzlichen Formen geblieben sind. Gabeln haben mal mehr mal weniger Zinken, Laffen sind mehr oder weniger tief, Messer schneiden. 

 

Ein Besteck aus den 1950ern hat es sogar ins Weltall geschafft: Arne Jacobsen (1902-1971) entwarf 1957 für das SAS Royal Hotel in Kopenhagen ein recht schlichtes, minimalistisches Besteck, die Gabel hat kurze Zinken, das Messer sieht ein bisschen aus wie ein Brieföffner, die einzelnen Teile bestehen jeweils aus einem Stück Edelstahl, kein Griff ist angesetzt. Zur Zeit des Entwurfs kritisch beäugt, ist es heute ein Klassiker! Und wirkte anscheinend auf den Regisseur Stanley Kubrick so futuristisch, dass er es als Ausstattung in seinem Film „2001: A Space Odyssey“ (1968) verwendet. Man speist in der 1968er Vision des Jahres 2001 also im Weltall mit Arne Jacobsens Besteck. All you can eat!

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