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Der letzte stellt das Wasser ab  

 

Sommer, Sonne, Sonnenschein – ich würde sagen, es ist mal wieder Zeit für unsere gedanklichen Reisen in die Kunstgeschichte. Wir können uns ja heute mal den Spaß machen, und den Menschen in vergangenen Jahrhunderten in ihre Häuser und Gärten (oder auch Schlösser und Parks) schauen! Also: angeschnallt und festgehalten, auf geht es...

 

Unsere erste Reisezeit ist recht lang: wir sausen vorbei an den Jahrhunderten, immer weiter und weiter bis wir in der Antike herauskommen. Ja, ich weiß, weiter Weg, aber es lohnt sich!  Und nicht nur die Zeit wechseln wir, sondern auch die Region: wir sind gelandet in Babylon – einer der wichtigsten Städte des Altertums, gelegen am Euphrat und laut Herodot „gewaltig und prächtig gebaut wie meines Wissens keine andere Stadt der Welt“. Hört sich doch an, als lohnt es sich, hier einmal einen Zwischenstopp zu machen. (Übrigens ist Babylon etwa 100 km vom heutigen Bagdad/Irak entfernt und die Ruinen der einstigen Anlage vor allem von einem deutschen Archäologen, Robert Koldewey, Anfang des 20. Jahrhunderts ergraben und erforscht worden). 

 

So, jetzt steigen wir mal aus, denn in Babylon soll sich ja einiges befunden haben, von dem wir heute noch sprechen. In der Bibel zum Beispiel geht es um die Sprachverwirrung bei einem Turmbau zu Babel – der schlussendlich genau deshalb auch nicht fertig gestellt worden ist. Keiner hat mehr den anderen verstanden. Laut Herodot, dem antiken griechischen Geschichtsschreiber, soll der Turm eine quadratische Grundfläche gehabt haben und man hat ihn wohl für astronomische Beobachtungen genutzt – jener oben genannte Koldewey hat große Teile seiner Fundamente ergraben. Ganz schöner Lärm hier auf der Baustelle! Man versteht ja sein eigenes Wort nicht – und das von den Menschen, die da am Turmbau arbeiten auch nicht... Also weiter.

 

Es soll hier ja auch noch so schöne Gärten geben. Hängende sogar! Alexander der Große hat davon erzählt und viele andere auch. Sogar zu den sieben Weltwundern gehören sie. Da müssen wir doch mal vorbeischauen – irgendwo bei einem Palast sollen sie sein und 120 m lang mit mehreren Terrassen. Das kann man doch wohl nicht übersehen! Eine schöne Geschichte gibt es auch hierzu: es soll wohl Nebukadnezar II. gewesen sein (nicht Semiramis, wie auch manchmal behauptet), der diese Gärten für seine Gattin angelegt hat. Die hatte nämlich ganz arg Sehnsucht nach den Wäldern ihrer Heimat und da hat der König für sie mal eben Gärten bauen lassen. Hach, wie schön! 

 

Aber ganz ehrlich: gefunden hat man sie bis heute nicht... Auch wenn viele gesucht haben. Und so richtig geklärt ist das mit dem „hängen“, der Technik dahinter (unter anderem auch die Bewässerung) bis heute nicht. Allen Vermutungen nach handelt(e) es sich wohl um etwas, das wir heute vielleicht als Dachterrasse bezeichnen würden. Die war üppig bepflanzt, mit stehenden und eben auch hängenden Pflanzen – schwupp, schon sah es aus, als hinge der ganze Garten. (Kleine Randbemerkung: im Commerzbank-Tower in Frankfurt/Main von Norman Foster gibt es moderne „hängende“ Gärten. Der Architekt hat dort in den 1990er Jahren in den 65 Stockwerken des Gebäudes neun Themengärten inszeniert, jeder 450 qm groß – der Mythos von Semiramis‘ Gärten lebt also dort ein bisschen weiter!)

 

Apropos weiter: wir reisen wieder durch die Zeit und treffen an unserer nächsten Station einen (Entschuldigung) etwas verkniffen aussehenden Herrn. Mächtige Perücke, etwas ungesunde Gesichtsfarbe und ein Meister seines Fachs – das ist André le Notre. Barocker Gartenbaumeister, ein Paradieserschaffer, der die Leute blass vor Neid werden ließ! Und der natürlich in den Dienst des Sonnenkönigs gestellt wurde, versteht sich von selbst, schließlich wollte dieser bitte schön auch so einen Garten, nein, einen noch viiiiiel schöneren! Also wird mal kurz ein ganzer Sumpf trocken gelegt, Kanäle gegraben, Brunnen ausgehoben und der Triumpf über die Natur gefeiert. Der Garten von Versailles entsteht. Und wird zum Vorbild für alle folgenden Gärten. Zum Inbegriff des barocken Gartens. Zum Superlativ. Allein schon die Zahlen sind gewaltig: So sollen um die 36.000 Männer auf der Baustelle gearbeitet haben und sich 305 (!) Gärtner auf der Gehaltsliste des königlichen Hofes befunden haben. Kein Wunder, soll doch der König selbst manchmal etwas verrückte Einfälle gehabt haben – so heißt es zum Beispiel, morgens beim Rundgang durch den Park haben der Hoheit die gelben Blumen nicht mehr gefallen. Hinfort mit ihnen! Na ja und dann mussten eben die Gärtner ran, gelbe Blumen raus, violette rein. Das dauert. Und man braucht ein paar Gärtner dafür! Schließlich sind die Gärten 815 Hektar groß. Und hier hängt nichts. Im Gegenteil: hier ist alles sorgsam ausgerichtet, angerichtet, inszeniert. Wehe, es hängt. Oder duftet etwa nicht. (Der König soll stark duftende Blumen bevorzugt haben.) Und 1400 Fontänen gab es – und nicht genug Wasser! Ja, trotz Sumpfgebiet. Es war einfach nicht genug, um die Brunnen alle gleichzeitig zu speisen und so haben sich auf dem Gelände Gehilfen versteckt und wenn der König im Anmarsch war, dann wurde in ein Pfeifchen gepustet, Schleusen geöffnet und die Spiele begannen. 

 

Sowieso: Spiele. Alles eine große Spielerei! Optische Täuschungen, Wassereffekte und böse Tricks waren sehr beliebt. Man möge sich vorstellen, man lustwandelt durch den Garten, bewundert sie Seerosen im Teich, die Skulptur zur Rechten und plötzlich – pschschschiiiiittttt – einmal nass von oben bis unten. Da war man dann dummerweise auf irgendeinen Auslöser für einen Wasserschwall getreten, der einen hinterrücks erwischte und zum Gespött der Begleiter machte. Überhaupt Wasserspiele – das wohl großartigste Meisterwerk dieser Art steht noch heute im Bergpark Wilhelmshöhe in Kassel – grandiose Ingenieurskunst, faszinierendes Schauspiel und einen beeindruckende Fontäne!

 

Zurück zu den Spielen. Die waren im Barock ohnehin sehr beliebt bei Hofe. Einen hervorragenden Eindruck erhält man auch, wenn man in die Welt August des Starken eintaucht und sich in Dresden in das Grüne Gewölbe begibt. Dort gibt es zum Beispiel Gefäße, die dem Gast zum Empfang gereicht wurden. Einige waren aus Straußeneiern gefertigt und waren gleich einem Straußenkörper gestaltet, hatten einen langen Hals und Kopf angesetzt und ebensolche Flügel an den Seiten des Eies befestigt. Hob nun der Gast das Tierchen an, um den Willkommensschluck zu nehmen, musste er den Körper (das Straußenei) recht steil kippen und bei diesem Vorgang – KLACK! – fielen dem werten Gast die beiden seitlichen Flügel ins Gesicht. Der verschluckt sich, es gibt eine große Schweinerei und alle lachen. Haha, das war das Verständnis von Amüsement in der Barockzeit. 

 

Apropos Barock. Wir sollten so langsam mal wieder in unsere Gegenwart zurückkehren. Schön war’s in den Gärten und Parks, aber jetzt zieht es uns wieder zurück: also, alle einsteigen und der letzte stellt das Wasser ab!

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