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Souvenir, Souvenir …und ein bisschen Fernweh.  

Vor noch gar nicht allzu langer Zeit habe ich an dieser Stelle einen Artikel geschrieben über die Macht der Fotografie – naja, so ähnlich jedenfalls. Mächtig vor allem in Bezug auf unsere Erinnerungen. (Ja, ja, genau, das war der Artikel mit Tante Kunigunde und dem grünen Kleid. Wer noch einmal nachlesen mag: hier entlang!) Long story short: im Wesentlichen ging es darum, dass anhand von Fotos unserer Erinnerung immer mal wieder auf die Sprünge geholfen werden kann. Wir uns an bestimmte Ereignisse, Dinge, Umstände sogar nur „erinnern“, weil wir deren fotografische Aufnahmen wieder und wieder gesehen haben und so „darüber Bescheid wissen“. 

 

Wir könnten an dieser Stelle tiiiiiiief eintauchen in die Thematik der Erinnerungskultur, darüber sprechen, wie aus unseren Erinnerungen letztlich auch die Identität hervorgeht. Nicht nur von Individuen, sondern von ganzen Bevölkerungsgruppen, Nationen,… Aber dazu vielleicht ein anderes Mal mehr. Die Sonne scheint, es ist warm, wir sind in Reiselaune (mehr oder weniger – näher oder ferner.) Beste Zeit also, sich über das Erinnern in Form von Gegenständen zu unterhalten. Ja, ganz richtig, ich spreche von diesen kleinen Dingen, die wir von fernen (oder nahen) Orten mitbringen, um uns an sie oder den Aufenthalt dort zu erinnern. 

 

Nein, ich meine damit nicht die Flasche Wein, die damals an der italienischen Strandpromenade so gut zum gegrillten Fisch geschmeckt hat und von der wir uns erhofften, sie würde uns zu Hause das „dolce vita“ ins Wohnzimmer zaubern. (Fakt: dieser Wein schmeckt zu Hause schlimmer als Essig, hat gar nichts mehr von „vino rosso“ sondern eher von aceto balsamico… Traurig aber wahr.) Also, es geht nicht um Wein, auch nicht Olivenöl, Zitronenlikör, … ach, da fällt bestimmt jedem etwas ein… 

 

Nein, es geht um die die kleinen Mitbringsel, die Menschen schon immer, zu allen Zeiten, an allen Orten gesammelt haben. Pilger zum Beispiel haben am Wegesrand besonders schöne Steine aufgehoben und mit nach Hause getragen. Oder in der Antike, da haben Freunde eine Tonscheibe geteilt, jeder erhielt eine Hälfte und bei der Wiederbegegnung wurden sie zusammengesetzt. Eben um die Erinnerung lebendig zu halten. Eine besondere Art dieser Erinnerung sind übrigens „Personenerinnerungen“, also zum einen natürlich Porträts (gemalt oder fotografiert), aber auch so Sachen wie Haarlocken in Medaillons eingelegt und solche Dinge. Hachz!

 

Aber zurück zu den Mitbringseln: Goethe kannte sie schon, die Romantiker haben sie geschätzt, an manchen Orten sind halbe Heiligtümer abgetragen worden - aber ihren Kultstatus erhielten sie in unserem Kulturkreis wohl besonders in der Nachkriegszeit. Die 1950er Jahre brachten hier einen Souvenir-Boom: schräges, amüsantes, buntes, glitzerndes, billiges, zu teures fand den Weg in den Koffer, wurde nach Hause getragen und der „oh Danke“ hauchenden Verwandtschaft überreicht oder selbst behalten. Staubte in Kommoden und Vitrinen ein, überdauerte die kalten Winter, erinnerte uns in schlechten Zeiten an gute und zauberte wehmütige Gedanken in unsere Köpfe. Im Laufe der Zeit entsteht so unser eigenes kleines Museum. Kaum jemand sonst kann etwas damit anfangen, denn es sind unsere ganz eigenen Erinnerungen. Nicht nur an Urlaube, sondern auch an Ereignisse. (Die Tischdeko von der Hochzeit der Großnichte, der erste ausgefallene Milchzahn des Sohnes, …) Jeder Mensch hat heute irgendein Souvenir zu Hause und es gibt seeeeeehr viele Menschen, die diese Mitbringsel sammeln, regelrechte Erinnerungsstückchen-Jäger sind. 

 

…und es gibt die, die Souvenirs nicht kaufen, sondern irgendwo (nicht so ganz legal) Steinchen abpitteln, Knöchelchen einstecken und Seepferdchen trocknen. Das ist der nicht so tolle Aspekt: hier werden Kulturgüter zerstört, schadet der Tourismus mehr als er bringt. Stichwort an dieser Stelle auch die vielen Welterbestätten, bei denen man erbittert darüber streiten kann, ob das Erheben in eben jenen Status Segen oder Fluch war und ist. Denn mit den vielen Besuchern treten eben auch Schäden durch das schiere „dort Sein“ auf, werden einzigartige Plätze zerstört. Ja, das ist gar nicht so leicht, hier eine Regelung (oder was auch immer) zu finden: natürlich schauen wir uns gerne herausragende Zeugnisse antiker Kulturen an, bestaunen Hinterlassenschaften unserer Ahnen oder bewundern deren handwerkliche Fähigkeiten. Und auch natürlich entsteht ringsherum eine Infrastruktur, um uns dies zu ermöglichen. Aber. Wo viele Menschen laufen, entstehen Wege jenseits der Wege. Fällt das ein oder andere auf den Boden und wird nicht wieder aufgehoben. Nimmt nur einer ein Steinchen eines Mosaiks mit. (Weil niiiiiiiemand sonst auf die Idee kommt, nö, bestimmt nicht.) Naja, ich brauche wohl nicht weitersprechen. Das ist eben die eine Erdbeere, die man vom Feld nascht, die ja nicht schadet, aber wenn es am Tag 20 Personen sind, die dies tun, sind es in der Woche schon 140 Erdbeeren. Und so weiter.

 

Dann doch lieber eine Schneekugel vom Wiener Prater. Oder ein Kugelschreiber mit Aufschrift „I love New York“. Schlüsselanhänger mit Eiffelturm. Oder was auch immer.

 

Und so wächst unser kleines „Museum der Erinnerungen“. So wie die Fotoalben. Auch die virtuellen. …und ich habe jetzt ein bisschen Fernweh…

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