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Design by…    

Vor ein paar Tagen öffnete am Vitra Design Museum in Weil am Rhein eine neue Ausstellung die Türen für Besucher:innen: „Here we are. Frauen im Design 1900 – heute“ und ich bin jetzt schon sehr begeistert davon. Das Thema selbst liegt mir bereits länger am Herzen – nicht nur auf das Design bezogen, sondern auf die Kunstgeschichte im Allgemeinen. 

 

Vor vielen Jahren, noch ziemlich am Anfang meiner Dozentinnentätigkeit an der Pädagogischen Hochschule in Freiburg habe ich ein Seminar gegeben, das die Künstlerinnen in den Mittelpunkt stellte. In der Folgezeit hat das Thema bei mir immer wieder Eingang gefunden in Seminare, Vorträge und Artikel, z.B. im August 2020 „Müssen Frauen nackt sein…“ oder im September des gleichen Jahres über die Architektinnen (per Klick geht es zum Artikel). Ich weiß noch, dass wir das Thema schon „damals“ (also vor fast 20 Jahren) im Seminar sehr intensiv und leidenschaftlich diskutiert haben. Eine der häufigsten Fragen war (und ist) wohl die, wo denn die Künstlerinnen sich versteckt haben bzw. wo sie „versteckt wurden“. 

 

Dieses Thema beschäftigte in den vergangenen anderthalb Jahren auch drei Kuratorinnen des Vitra Design Museums – allerdings diesmal auf die Frauen im Design bezogen. Ausgehend von einer Betrachtung des (äußerst umfangreichen) Sammlungsbestandes des Museums haben die drei versucht, Perspektiven zu öffnen, Blickwinkel zu erweitern und letztlich auch den Designbegriff umfassender zu definieren. So ist eine Ausstellung entstanden, die nicht einzelne Positionen und Einzelpersonen ins Zentrum rückt, sondern versucht, einen generalistischen Ansatz zu dem Thema vorzunehmen. Gar nicht so einfach, denn „das Thema“ ist durchaus sehr umfassend, hat viele Erzählstränge und Schauplätze…

 

Bereits zu anderen Ausstellungen dieser Art („Frau Architekt“ zum Beispiel, die an mehreren Orten gezeigt wurde) wurde Kritik laut, dass diese Herausstellung der Frauen in den jeweiligen Kontexten eher das Gegenteil bewirke. Man sprach und spricht sogar von einer „Ghettoisierung“ der Frauen – die letztlich genau das Gegenteil von dem eigentlich Anliegen bewirkt. Und auch Designerinnen (und Künstlerinnen) selbst haben in den vergangenen Jahrzehnten wiederholt genau dieses Herausstellen heiß und heftig diskutiert – verschiedene Artikel sind zu diesem Thema auch schon erschienen. …na ja und in die Diskussion um Quoten und ähnliches fließen diese Gedanken natürlich auch mit ein. 

 

Die Kuratorinnen der Ausstellung in Weil am Rhein haben aus genau diesem Punkt heraus versucht, nicht eine „Frauenschau“ zu kreieren, sondern Perspektiven zu eröffnen. Nicht die einen zu betonen und dadurch die anderen auszuklammern. Es muss schließlich nicht immer alles schwarz oder weiß sein, grau gibt es auch!

 

So ist eine wunderbar vielseitige, inhaltlich gut gefüllte, Denkanstöße liefernde Ausstellung entstanden, die in der Suffragetten-Bewegung – also um 1900 – ihren Ausgang nimmt und einen Bogen spannt bis in die Gegenwart. 

 

Bereits durch die Industrialisierung hatte sich beispielsweise in Europa und auch Nordamerika einiges verändert: durch den Gang in die Fabrik ergaben sich so für viele zum ersten Mal geregelte Arbeitszeiten. Neue Möglichkeiten der Betätigung entwickelten sich, Maschinen vereinfachten Abläufe und eröffneten neue Produktionswege. Aber auch die Gesellschaft veränderte sich. Neben die Arbeitszeit trat nun etwas völlig Neues: die freie Zeit, Freizeit. Ein Privileg, dass bislang den wohlhabenderen Schichten vorbehalten war. Ein kostbares Gut, dass es nun mit neuen Inhalten zu füllen galt. Fußballvereine werden gegründet, man geht wandern und spazieren, liest Bücher und Zeitschriften (die Schulbildung war in der Zwischenzeit ebenfalls Normalität für die meisten geworden). Ab 1867 sind Frauen in der Schweiz zum Universitätsstudium zugelassen – ab 1900 dann auch in Deutschland. Und: der Ruf nach Mitbestimmung, nach Beteiligung wird laut. Bei allen. So gehen vor etwa hundert Jahren zunächst in Großbritannien und Nordamerika Frauen auf die Straße und protestieren für ihr Wahlrecht (= suffrage) -  1906 betitelt sie eine Zeitung dementsprechend zum ersten Mal als Suffragetten. 

 

Spannend ist, dass diese Bewegung sich im Grunde auch schon eine eigene Corporate Identity, ein einheitliches Auftreten nach Außen gibt: grün, weiß und violett werden die auf Plakaten und Broschüren verwendeten Farben. Weiß wird ebenfalls für die Kleidung verwendet, mit denen man zu den Protestmärschen aufbricht – zum einen, weil ein weißes Kleidungsstück in den meisten Haushalten vorhanden oder zumindest leicht anzufertigen war und zum anderen, weil in den Medien der damaligen Zeit (Film und Zeitung) die weißen Kleider im schwarzweiß Bild gut zu erkennen waren. 

 

Frauen engagieren sich, üben Berufe aus, können sich ausbilden lassen, werden selbst zu Lehrenden. Schulen wie das Staatliche Bauhaus in Weimar werden gegründet (1919), für das sein erster Direktor, Walter Gropius, einen gleichberechtigen Zugang postuliert. …und ihn kurz darauf wieder zurücknimmt beziehungsweise einschränkt. Mit dem Zustrom hatte er wohl doch nicht gerechnet. 

 

1921 wird Getrud Kleinhempel die erste Professorin Preußens. Allerdings nicht bedingungslos. Sollte sie heiraten, würde ihr die Lehrtätigkeit untersagt – so stand es im Vertrag. Man war der Ansicht, ein Ernährer pro Haushalt sei genug und wenn es zur Hochzeit käme, wäre natürlich der Mann derjenige, der diese Aufgabe zu erfüllen hätte. Frau Kleinhempel blieb unverheiratet und kinderlos. Und Professorin. 

 

(Kurzer Einwurf an dieser Stelle: wir dürfen natürlich die historische Sichtweise hier nicht ausklammern. Es war so, dass man in gutsituierten Kreisen stolz darauf war, dass die Frau nicht arbeiten brauchte. Dass sie sich um Haushalt, Kinder etc. kümmern konnte. Für die meisten war das prima so. Mehr wollte man (frau) nicht. Alles gut. Unser Blickwinkel heute ist ein anderer. Die Zeit ist vorangeschritten und mit ihr die gleichberechtigte Teilhabe aller Menschen in vielen Bereichen. …zu tun gibt’s immer noch einiges…)

 

Einige Frauen haben sich im Design einen Namen gemacht. Eileen Gray zum Beispiel, deren Beistelltisch (zum Bild per Klick) wohl vielen bekannt sein dürfte. Oder auch Ray Eames, die gemeinsam mit ihrem Mann Charles großartige Pionierarbeit im Bereich der Schichtholzmöbelherstellung (zum Bild per Klick) geleistet hat. Viele standen aber auch in der zweiten Reihe, weil ihnen aus verschiedenen Gründen die erste Reihe nicht zur Verfügung stand. So durften Frauen beispielsweise Anfang des 20. Jahrhunderts keine Verträge abschließen, keine Patente anmelden – hatten sie also ein Möbelstück entwickelt und wollten dies patentieren lassen, verkaufen oder ähnliches, „brauchten“ sie hierfür einen Mann. Lily Reich zum Beispiel Ludwig Mies van der Rohe. Oder Flora Steiger-Crawford, die erste diplomierte Architektin der Schweiz. Sie entwickelte den ersten stapelbaren Kragstuhl (oder auch Freischwinger) – der aber häufig ihrem Mann zugeordnet wurde…

 

Wie vorhin schon geschrieben: hier ist nicht alles nur schwarz oder weiß. Allen an den jeweiligen Prozessen, Entwürfen, usw. Beteiligten gebührt die Anerkennung, die ihnen zusteht! Egal welchen Geschlechts. In der Ausstellung „Here we are“ geht es eben auch nicht darum, diese einzelnen Namen herauszustellen. Sondern eine Geschichte zu erzählen. Die Geschichte des Designs. Und da gehören definitiv auch (noch) mehr Namen genannt als bisher. Gehört die Geschichte neu sortiert. Und der Designbegriff nicht nur „streng“ auf Gebrauchsgegenstände und Möbel bezogen. Sondern auch auf den Alltag. Prozesse. Die Forschung. Und - ach - so viel mehr! 

 

Auch das ist nicht in Stein gemeißelt. 

Wird sich verändern. 

Wie die Gesellschaft. 

Wie wir.

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