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Es war einmal… Gute Geschichten müssen schmecken.  

 

Liegt es an den Brüdern Grimm, die in der Region um meine Geburtsstadt Kassel in Nordhessen ab 1813 Dorothea Viehmanns Erzählungen lauschten und diese in ihren weit über 30 Märchen verarbeiteten? Geschichten über Frau Holle, die ihre Betten ausschüttelt,  so dass es schneit (passenderweise gibt es einen Frau Holle-Teich auf dem höchsten Berg der Gegend, dem Meißner), über das grausame Schicksal von Hänsel und Gretel, woraufhin bei jedem Spaziergang durch den Wald die Erwartung vorhanden war, ein Hexenhaus zu entdecken oder auch Aschenputtel und die ruckediguhenden Tauben… 

 

Oder lag es daran, dass ich schon als Kind Bücher verschlungen habe, alles gelesen habe, was mir zwischen die Finger kam, gar nicht genug bekommen konnte von den vielen Welten zwischen den Buchdeckeln? …und beim Lesen meine eigenen Bilder habe dazu entstehen lassen: Menschen, Wesen, Geschichten wurden lebendig (und werden es bis heute). Und übrigens ziemlich enttäuscht war, als ich den Kinofilm zu Michael Endes „Unendlicher Geschichte“ gesehen habe und feststellen musste, dass diese Wesen alle ganz anders aussahen als in meiner Fantasie! So war zum Beispiel Fuchur, der Drache, bei mir kein weißhaariges, zotteliges Wesen… 

 

Na ja, ich weiß jedenfalls nicht wirklich so ganz genau, woran es liegt, und es lässt sich wahrscheinlich auch nicht mehr nachvollziehen, es ist aber ein Fakt: ich liebe Geschichten! Ich liebe es, zu lesen, (und ja, ich verschlinge bis heute Bücher wann immer ich die Gelegenheit dazu habe und auch ja, ich schaue bis heute ganz ungern Verfilmungen, wenn ich zuvor das Buch gelesen habe). 

Ich liebe es auch, vorzulesen und Geschichte(n) zu erzählen. 

Wenn man es ganz genau nimmt, liebe ich Buchstaben. 

Und das, was man mit ihnen tun kann. 

Aus ihnen machen kann.

Und wie man sie sich zunutze machen kann!

 

Wir sollten nämlich alle viiiiiiel mehr Geschichten erzählen.

Einerseits, um Dinge weiterzugeben. Also das, was vielleicht (noch) nicht in irgendwelchen Büchern steht. Lebensgeschichten. Anekdoten. Heiteres und aber genauso auch Trauriges. Erinnerungen. Persönliches. Wissenswertes. Erwähnenswertes. 

Einfach nur erzählen. 

Denn wenn wir erzählen, dann werden Geschichten lebendig, dann wird (und bleibt) auch Geschichte lebendig. 

 

Kleiner Umweg an dieser Stelle: Ich wundere mich bis heute, warum nicht zum Beispiel im Geschichtsunterricht in Schulen viel mehr Geschichten erzählt werden! Bei mir zumindest bestand der Geschichtsunterricht aus vielen Zahlen. Die man zum Teil sogar auswendig lernen musste, um in der nächsten Klassenarbeit, dem nächsten Test dann das Auswendig-Gelernte wieder stoisch auf dem Papier zu vermerken. Mit welchem Nutzen? Keine Ahnung! Tatsächlich geht es mir bis heute so, dass ich mir Dinge viel besser im Zusammenhang einpräge. Dann etwas hängen bleibt, wenn es anschaulich ist, Bilder dazu entstehen. Sich Bezüge herstellen lassen. Was bringt mir dir abstrakte Zahl 1789 und dazu das Stichwort „Französische Revolution“, wenn ich nicht die Hintergründe dazu kenne – wie kam es dazu, was folgte daraus? Und wenn ich „kam es dazu“ und „folgte daraus“ habe, dann steht erstmal nicht im Vordergrund, wann das genau das war. Sondern es geht um Zusammenhänge. Und je mehr „kam es dazu“ und „folgte daraus“ ich kenne, um so mehr Verknüpfungen lassen sich erstellen. Irgendwann fügt sich vieles dann wie in einem Mosaik zusammen.

 

Oder (Umweg vom Umweg) ich stelle mir das immer vor, wie bei „Dalli dalli“ mit Hans Rosenthal. Das war eine Spielshow, die von 1971 bis 1986 ausgestrahlt wurde, eine Rateshow. Hierin gab es eine Runde, die hieß Dalli-Klick, in dieser wurden Stück für Stück die Teile eines Dias aufgedeckt und die Ratenden sollten möglichst früh erkennen, was auf dem Gesamtbild zu sehen war. 

 

„The more you know, the more you see!“ (Aldous Huxley)

 

Wieder zurück auf den ersten Umweg: Und Geschichten lassen sich nun mal leichter zusammenfügen als abstrakte Zahlen. 1120, 1220, 1520 – super, macht aber keinen Sinn. So noch nicht zumindest. Mit der Geschichte dazu dann schon: 1120 erhielt Freiburg das Marktrecht, 1220 begann man mit dem Bau des Münsters und 1513 würde es durch den Konstanzer Weihbischof geweiht -  hier runden wir großzügig auf: 1520. Und schon haben wir uns wichtige Bestandteile der Geschichte der Stadt Freiburg in einen Zusammenhang gebracht. Nackte Zahl sind zwar auch schön, aber eben nackt. Angezogen mit Geschichte(n) können sie richtig was hermachen! Auch im Geschichtsunterricht.

 

Jetzt biegen wir wieder auf die Hauptstrecke ein: Unser Gehirn liebt Geschichten. Und merkt sie sich deshalb auch leichter. 

Weiß die Werbung und nutzt es: Eine Flasche Sekt auf dem Fernsehbildschirm sieht nett aus, bringt aber noch nicht viel. 

Eine Flasche Sekt, die sprudelnd aufpoppt, ein dynamisch dahinpreschendes Pferdchen, ein geheimnisvoll blickender Herr und eine elegant gekleidete Dame…

(Ha, erwischt! Sind da vielleicht gerade Bilder entstanden? Beim Lesen? Funktioniert, die Geschichte ist in Gang gesetzt!)

 

Das kann man sich übrigens auch selbst ganz bewusst zunutze machen, zum Beispiel um sich Dinge einzuprägen. Ja, auch Telefonnummern, IBAN und so etwas. Das können nicht nur die „Zahlenmagier“ in TV-Shows. Alles, was es braucht ist eine Geschichte. Zum Beispiel verknüpft man die Zahlen mit bestimmten Orten in der Wohnung oder auf dem Weg dahin. Also: die 1 ist der Baum vorm Haus (sieht ja auch ein bisschen aus wie eine 1), die 2 ist der Lichtschalter (der hat zwei Tasten). Die 3 ist der Hocker mit den drei Beinen, die 4 das Spielzeugauto, das im Regal steht (vier Räder), die 5 die Hand (mit den fünf Fingern), die das Auto aufhebt. Die 6 ist der Würfel, die 7 die Katze (mit ihren sieben Leben), die um das Regal herumschleicht, die 8 die Achterbahn auf der Fotografie aus dem Freizeitpark, die 9 … 

 

Ok, ich glaube, es ist klar, wie es funktioniert. Und wenn ich mir jetzt bestimmte Dinge merken möchte, dann kann ich sie „anhängen“ an diese Zahlen, sie auf die Gegenstände legen/anknüpfen oder eben entsprechende Wege durch die Wohnung machen. Man nennt das Loci-Methode und das mit den Zahlen ist die 100er-Liste von Gregor Staub, einem Schweizer Gedächtnistrainer.

 

Aber eben, es tut auch jede Geschichte! Am besten so bunt wie irgend möglich mit so vielen Sinneseindrücken wie irgend möglich ausschmücken. 

Gute Geschichten müssen schmecken! 

Und riechen! 

Eine Prise Emotionen schadet auch nicht. (Hierbei zählen positive wie negative gleichermaßen.) 

Eine gute Geschichte ersetzt den Einkaufszettel und ist die beste Mnemotechnik.

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