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modern, mittelalterlich, muckelig - M wie Maastricht

modern, mittelalterlich, muckelig

M wie Maastricht

 

Amsterdam, Rotterdam, Den Haag – ich glaube, das sind wohl die meistgenannten Städte, wenn man jemanden fragt, was in den Niederlanden schon besucht wurde.  Klar, die drei sind ja auch großartig, lohnen einen Städtetrip auf alle Fälle und irgendwann schreibe ich auch meine Empfehlungen zu ihnen mal auf (versprochen!). Vielleicht liegt die Beliebtheit auch an der Lage? Nicht weit weg vom Wasser – hat ja immer irgendwie was Anziehendes… 

 

Egal, heute geht es um den Südwesten Hollands, um eine Stadt, die zwar nicht am Meer, aber dennoch am Wasser (der Maas) liegt und die tatsächlich eine der ältesten Städte der Niederlanden ist. Und überdies ein Reiseziel, das mit dem Zug innerhalb Europas sehr gut erreichbar ist. Puh, na, das sind doch wohl eindeutig ein paar Argumente, die für Maastricht sprechen!

 

Bei unserem Ausflug im vergangenen Jahr, waren wir insgesamt drei Tage unterwegs, was wir als perfekt ausreichend gefunden haben, um die Stadt zu erkunden, ins Museum zu gehen und auch noch ein bisschen Zeit zum Bummeln zu haben. Von den drei Tagen muss man natürlich noch An- und Abfahrt abziehen, die in unserem Fall von Freiburg mit der Bahn jeweils ca. 6 Stunden gedauert haben – also summa summarum zwei Tage vor Ort. Übrigens ist die Anreise mit der Bahn absolut empfehlenswert (ja, trotz allen Unwägbarkeiten, die es da immer wieder gibt), der Bahnhof ist nicht weit vom Zentrum entfernt, man erreicht in kurzer Zeit zu Fuß (oder auch mit dem Taxi) die relevanten Hotels und erreicht von dort ebenfalls alle wichtigen Sehenswürdigkeiten.

 

Bei unseren Städtetrips sind wir ohnehin immer gern zu Fuß unterwegs – meiner Meinung nach ist das die beste Möglichkeit, eine Stadt kennenzulernen und zu entdecken. Außerdem „stolpert“ man doch beim Umherlaufen über das ein oder andere, was in etwaigen Reiseführern nicht erwähnt wird! Das heißt in der Regel auch, dass wir nach unserer Ankunft erst einmal die jeweilige Unterkunft aufsuchen. (In dem Fall ein sehr witziges Konzept-Hotel („The Dutch“) im Maastrichter Stadtteil Wyck, in dem es ebenso viiiiiiiele Restaurants zur Auswahl gibt.) Einchecken, Gepäck verstauen, was so alles erstmal erledigt werden muss und dann: Auf ins Vergnügen!

 

In etwa 10 Minuten ist man in der lebendigen Altstadt, die übrigens eine ebenso hohe Anzahl an Kulturdenkmälern besitzt wie Amsterdam und deren Anlage unter Denkmalschutz steht. Ah, vielleicht eines noch, bevor wir uns in die Gassen der Altstadt begeben: Maastricht ist natürlich vielen bekannt als die Stadt des Vertrags über die Europäische Union oder auch: Maastrichter Vertrag. Dieser wurde 1992 vom Europäischen Rat im „Gouvernement“ in Maastricht unterzeichnet und regelt die wesentlichen Belange u.a. der Außen- und Sicherheitspolitik innerhalb der EU und ist eine der Grundlagen für die Einführung der gemeinsamen Währung 1999, dem Euro.

 

Das „Gouvernement“ ist übrigens schon ein Ausflugsziel, das man aus der Stadt gut erreichen kann. Es liegt auf einer Insel in der Maas in einem modernen Gebäude aus dem Jahr 1986, das von dem holländischen Architekten Gerard Snelder entworfen worden ist. Es ist zugleich Regierungsgebäude von Limburg und Museum, dessen ca. 1300 Kunstwerke man kostenlos besichtigen kann. 

 

Nicht weit von dort entfernt befindet sich ein weiteres, absolut sehenswertes Museum: das Bonnefanten Museum. Ja, der Name hört sich komisch an, es steckt aber (wie man sich denken kann) natürlich eine Geschichte dahinter: Das Gebäude, in dem das Museum Mitte des 20. Jahrhunderts untergebracht war, gehörte eigentlich einem Frauenkloster. Es hieß (wegen seiner Hauptaufgabe, der Kindererziehung) „Kloster der guten Kinder“ = Couvent des bons enfants. Naja und aus den „bons enfants“ ist dann eben im Volksmund „Bonnefanten“ geworden. Hat also mit einer seltenen Elefanten-Art nichts zu tun…

 

Das heutige postmoderne Gebäude stammt übrigens vom italienischen Architekten Aldo Rossi und wurde in den 1990er Jahren errichtet. Besonders eindrücklich fand ich den raketenähnlichen Turm, der sich schon im Äußeren von dem ansonsten geradlinigen und im klassischen Backstein errichteten Museumsgebäude abhebt. Im Inneren ist der Turm über die komplette Höhe geöffnet und somit ein toller Ausstellungsraum. …zudem befanden sich bei unserem Besuch mittig am Boden ausgebreitet Kissen, die zum Perspektivwechsel eingeladen haben: hinlegen und entspannt den Blick in die Kuppel genießen!

Das Museum hat eine eigene Sammlung und ist ein Paradies für Liebhaber mittelalterlicher Kunst: Skulpturen und Gemälde von u.a. Pieter Brueghel dem Jüngeren, Peter Paul Rubens aber auch der italienischen Renaissance-Malerei sind hervorragend in Szene gesetzt. Ich habe tatsächlich selten so eine wunderbare Beleuchtung der einzelnen Exponate in einem Museum gesehen! Selbst wenn Altäre, Holzskulpturen und Madonnen normalerweise nicht zur persönlich präferierten Kunstgattung zählen: hier sind sie ein Muss! …und eine Augenweide zudem…

Auch für Liebhaber:innen der zeitgenössischen Kunst ist bei den „guten Kindern“ ausreichend Genuss geboten: in wechselnden Ausstellungen wird in den galerieähnlichen Räumlichkeiten die eigene Sammlung (mit u.a. Richard Serra, Bruce Nauman, Joseph Beuys und vielen anderen) gezeigt und ergänzt durch Werke von unterschiedlichen Leihgeber:innen und Häusern.

Weiteres Highlight: die großartige zentrale Treppe. Eine nach innen verlagerte hölzerne Freitreppe, eingefasst von Backsteinwänden und bekrönt durch eine gläserne Bedachung, die das Tageslicht hereinlässt. Viel Licht, eine imposante Erscheinung! Durch die verwendeten Materialien (Backstein, Holz) und die Anlage der Treppe selbst stellt Rossi hier Bezüge zur Geschichte des Areals (einstiges Industriegebiet) und zur Architekturtradition her (Freitreppen römischer Tempel, verwinkelte Treppen u.a. holländischer oder auch belgischer Orte).

 

Ok, jetzt hab ich ganz schön geschwärmt – Bonnefanten lohnt sich!

 

Nun aber raus mit uns an die frische Luft: entlang der Maas gelangen wir zur Servatiusbrücke, einer monumentalen Steinbrücke, die wir in Richtung Altstadt überqueren. Und dann ist es vielleicht am besten, erst einmal gemütlich einen Kaffee zu trinken oder sich ein wenig den Kopf zu lüften beim Bummeln durch die vielen kleinen Straßen und Gassen mit ihren Geschäften, die ein sehr vielfältiges Sortiment bieten. Ein Paradies (nicht nur) für Interior-Fans! 

 

Nicht verpassen: Boekhandel Dominicanen in der Dominicanerkerkstraat. Ja, das Wort „Dominikaner“ kam jetzt schon ein paar Mal vor. Ich empfehle hier allerdings nicht etwa eine Buchhandlung mit religiösem Sortiment, sondern eine an (oder in) einem sehr besonderen Ort! Beim Gebäude handelt es sich um eine Ende des 13. Jahrhunderts fertiggestellte Kirche, die als Klosterkirche des Dominikanerordens genutzt wurde. Bis zur Enteignung durch französische Truppen 1796. In der Folgezeit zogen zwar die Franzosen wieder ab, aber die Mönche kamen nicht zurück und so blieb die Kirche bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts ungenutzt. Im 20. Jahrhundert wurde sie dann als Archiv, Messehalle, Fahrradparkhaus genutzt und schließlich ab 2004 vom Architekturbüro Merkx + Girod aus Amsterdam umgestaltet. Ausgestattet mit einer zweiten Ebene, riesigen Bücherregalen und Treppengängen wird man auf der einen Seiten den Anforderungen an eine Buchhandlung gerecht. Auf der anderen Seite bleibt die besondere Stimmung der Klosterkirche mitsamt ihrer Wandgemälde und Glasfenster erhalten. Eine besuchenswerte Buchhandlung! (…finde natürlich nicht nur ich und so ist es an diesem Ort meist recht voll.)

 

Beim Thema bleibend können wir uns nun der großen Anzahl von Kirchen in der Stadt widmen: zwei romanische, sieben gotische, dazu noch barocke und moderne Kirche… Es müssen ja vielleicht nicht alle an einem Tag sein. Sehenswert sind sie alle, aber vielleicht reicht für den Anfang die romanische Servatiusbasilika – die älteste erhaltene Kirche der Niederlande – und die Liebfrauenbasilika. Daneben ist die gesamte Altstadt mit Markt und Rathaus und Vrijthof und Gerichtsgebäude und die mittelalterliche Stadtmauer mit Höllentor und … Ach, Maastricht ist einfach voll mit entdeckenswerten Dingen! Und die Umgebung hat auch noch einiges zu bieten…

 

Vielleicht noch ein Tipp zum Schluss: das Boschstraatkwartier und das angrenzende Sphinxkwartier. Die Quartiere selbst sind schön zum Bummeln (und Geschäfte und Cafés gibt es auch), verbinden Industriekultur mit Kino, Kunst und Konzert. Einen Abstecher sollte man in die Sphinx-Passage machen, einem in Stahlskelettbauweise (deshalb auch „Eiffel-Gebäude“ genannt) errichteten Bauwerk mit einem 120 m langen überdachten Gang, in dem sich das längste Fliesenbild der Niederlande befindet. Auf ca. 30.000 Fliesen wird die Geschichte der Keramikproduktion in den Maastricht, mit einer ihrer Hauptprotagonisten, der Sanitärkeramikfabrik „de Sphinx“ erzählt. 

 

Mein Fazit: Hin da! Maastricht ist eine studentisch geprägte Stadt mit viel Flair, erlaufbar, gemütlich und doch modern – eine ziemlich perfekte Mischung für einen Wochenendtrip.

 

Kulinarischer Tipp für „zwischendurch“: Beim Schlendern durch die Gassen wird man ja schon mal ein bisschen hungrig. Snack gefällig? (Ja, ich weiß, ist nicht holländisch sondern italienisch, aber soooooo gut!): „La bottega di Gemma“ Achter de Molens 21 – leckerste Panini, frisch zubereitet.

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