· 

Zwischen Wand und Raum.

Zur Ausstellung “Herausragend!” im Städel Museum in Frankfurt

 

Immer wieder bin ich gerne in Frankfurt. Für mich ist das immer eine Mischung aus 

·      Zurückkommen: ich habe mein Grundstudium in Gießen verbracht und war dadurch sehr häufig in Frankfurt – also auch ein Stück „Heimat“ oder was man eben so bezeichnet

·      Treffpunkt: es liegt (etwa) auf halber Strecke zwischen Freiburg und Kassel und bietet sich somit als Familien- und Freundinnentreffpunkt an

·      Kunstgenuss: na klar, die Frankfurter Museen locken natürlich immer wieder!

 

Also ergibt es sich aus den o.g. Gründen, dass ich mindestens 5 - 6 Mal pro Jahr in Frankfurt bin, also nicht nur am Bahnhof oder Flughafen, sondern in der Stadt und (in der Regel auch) im Museum. Wird nicht langweilig! 

 

Mein letzter Besuch in Frankfurt führte dann also wieder ans Museumsufer – ich musste selber nachschauen: es sind tatsächlich mittlerweile 26 Museen, die sich dort entlang des Mains aufreihen, cool! Klar war ich schon „damals“ während meines Studiums oft in Frankfurt – liegt ja irgendwie auf der Hand, wenn man Kunstgeschichte und Klassische Archäologie studiert, dass man dann auch mal ins Museum geht. Mit dem Semesterticket war das damals ganz easy, kostenlos und eben auch nicht weit weg. Aber ich schweife ab, sorry. 

Also, genug Auswahl an Museen am Schaumainkai, für jeden Geschmack ist etwas dabei: Architektur, Film, Archäologie, Kunst, Kommunikation,… Für mich ein Highlight ist das Städel. Immer wieder.

 

INFOTEXT

Das Städelsche Kunstinstitut und Städtische Galerie, auch bekannt als Städel Museum, ist eines der bedeutendsten deutschen Kunstmuseen in Frankfurt am Main. Die Sammlung des Museums umfasst rund 3.100 Gemälde vom Mittelalter bis zur Gegenwart, sowie über 100.000 Zeichnungen und Druckgrafiken in der Graphischen Sammlung. Es beherbergt zudem eine Sammlung von über 5.000 Fotografien, 660 Skulpturen und eine Präsenzbibliothek mit 115.000 Büchern. 

 

Das Museum wurde durch das Testament von Johann Friedrich Städel im Jahr 1815 gegründet und erhielt 1833 ein eigenes Ausstellungsgebäude. 1878 wurde es an seinen heutigen Standort am Museumsufer verlegt. Während der Zeit des Nationalsozialismus wurden viele Kunstwerke beschlagnahmt, nach dem Krieg konnten jedoch wiederum bedeutende Werke zur Sammlung hinzugefügt werden. 

 

Das Museum wurde mehrmals erweitert und renoviert, und die Ausstellungsaktivitäten vor allem unter der Leitung von Max Hollein (2006-2016) verstärkt. Seit 2016 leitet Philipp Demandt das Städel Museum.

Das Gebäude wurde nach den Plänen des Architekten Oskar Sommer im Stil der Neorenaissance errichtet und erinnert an florentinische Gebäude. Die Fassade besteht aus zweireihig gegliedertem Sandstein, mit Bogenfenstern im Erdgeschoss und komplexer gestalteten Fenstern im Obergeschoss, die durch zwei ionische Säulen getrennt sind. Der Eingang des Gebäudes wird von Statuen von Hans Holbein und Albrecht Dürer eingerahmt, die die historischen Bezüge und kulturellen Ambitionen der Stadt Frankfurt betonen.

Das Innere des Gebäudes ist schlicht gestaltet und stellt die ausgestellten Kunstwerke in den Vordergrund. Ein auffälliges Schmuckelement ist die verzierte Doppeltreppe, die zu den Obergeschossen führt. Im Erdgeschoss befinden sich die Grafische Sammlung mit Studiensaal, die Museumsbuchhandlung mit Café und Bibliothek sowie die Kasse in der Eingangshalle. Die ersten beiden Obergeschosse beherbergen die "Alten Meister" (1300–1800) und die Sammlung der "Kunst der Moderne" (1800–1945). Vom ersten Obergeschoss gelangt man außerdem in den Erweiterungsbau an der Holbeinstraße, der von Gustav Peichl entworfen wurde und 1990 eröffnet wurde. Hier finden die Sonderausstellungen des Städels statt.

Ab 2008 wurde eine weitere Erweiterung des Städel Museums um 3000 Quadratmeter geplant. Nach einem Architekturwettbewerb wurde der Entwurf des Frankfurter Architekturbüros Schneider + Schumacher ausgewählt. Der Erweiterungsbau umfasst eine großzügige Museumshalle sowie Räume mit musterartig angeordneten Deckenöffnungen für die Kunst nach 1945 unter dem Städelgarten. Die Bauarbeiten begannen im September 2009 und wurden im Februar 2012 abgeschlossen. 

 

 

Naja, und dieses Mal lockte einerseits „Italien vor Augen“, also frühe Reisefotografie aus DEM Sehnsuchtsland und auf der anderen Seite eben „Herausragend! Das Relief von Rodin bis Picasso“. Ehrlicherweise muss ich sagen, dass ich mir von der Fotografie ein bisschen mehr erhofft hatte. Ja, das war ganz nett, die Aufnahmen zu sehen und (großes Rätselraten!) zu identifizieren, wo das wohl gewesen sein könnte. Aber damit war’s das eigentlich auch schon. 

 

Aber he, was für eine wunderbare Überraschung und großartige Ausstellung verbirgt sich denn bitte schön im Anbau! (Ich finde das ja immer wieder schön, im „alten“ Städel diese ehrwürdige Treppe hinaufzuschreiten, vorbei an Herrn Goethe und dann durch die Sammlung in den Anbau zu gelangen.)

 

INFOTEXT 

"Goethe in der Campagna" ist das bekannteste Gemälde von Johann Heinrich Wilhelm Tischbein und zeigt den Dichter Johann Wolfgang von Goethe während seiner Italienreise 1786/87. Das Bild im klassizistischen Stil gehört seit 1887 dem Städel Museum in Frankfurt, Goethes Geburtsstadt.

Während seines Aufenthalts in Rom wohnte Goethe in einer Wohnung mit den Malern Tischbein, Johann Georg Schütz und Johann Friedrich Bury. Tischbein porträtierte den Dichter und begann mit der Arbeit an dem Gemälde. Es zeigt Goethe in Lebensgröße auf den Trümmern eines umgestürzten ägyptischen Obelisken sitzend, mit Blick auf die Ruinen der römischen Campagna.

Das Gemälde wurde während der Entstehung mehrmals erwähnt und beschrieben. Es zeigt Goethe in einem hellen mantelartigen Umhang, der ein rotes Jackett und eine ockerfarbene Bundhose verbirgt. Im Hintergrund sind ein efeuumranktes griechisches Marmorrelief sowie ein römisches Kompositkapitell zu sehen. Die Landschaft im Hintergrund besteht aus verschiedenen Elementen, einschließlich Ruinen eines Aquädukts und des Grabmals der Caecilia Metella.

Das Gemälde weist einige kleinere anatomische Unregelmäßigkeiten auf, die immer wieder zur Erheiterung bei staunenden Kunstschauenden führen: So wirkt das linke Bein des Dichters sehr lang, der Körper insgesamt verdreht und komisch proportioniert, außerdem sind offensichtlich zwei linke Füße mit den entsprechenden Schuhen abgebildet… Konnte es Tischbein nicht besser? Doch, eigentlich schon. Aber es wird spekuliert, dass er das Werk wohlmöglich gar nicht selbst fertig gestellt hat, sondern ein anderer Künstler Ergänzungen vorgenommen hat und dabei Vorhandenes kopiert hat, um keine größeren Abweichungen von Tischbeins Vorlage zu erzeugen.

Das Gemälde wurde nach Goethes Tod nach Weimar gebracht und schließlich 1887 dem Städel Museum geschenkt. Es gilt heute als bedeutendes Werk der Porträtmalerei und als ikonisches Bild von Goethe während seiner Italienreise.

 

Geht man in den Anbau hinüber, geht man übrigens auch quasi durch eine Werk von Tobias Rehberger hindurch!

 

INFOTEXT 

Tobias Rehberger ist ein deutscher Bildhauer und Professor an der Staatlichen Hochschule für Bildende Künste - Städelschule in Frankfurt am Main. Er ist vor allem für seine raumfüllenden Installationen bekannt. Rehberger studierte an der Städelschule und bewegt sich in seinen Werken frei zwischen Malerei, Bildhauerei, Design, Aktionskunst und Architektur. Er schafft sowohl minimale künstlerische Eingriffe als auch große Raumumgebungen und kombiniert hierbei Kunst und Design.

Rehberger ist bekannt für seine experimentellen Ansätze und nutzt ungewöhnliche Materialien wie PU-Schaum, Draht, Wachs und Kunstharzlack. Er schafft Installationen, die den Betrachter dazu bringen, über die Wahrnehmung von Kunstwerken und die Bedeutung von Projektionen nachzudenken. Seine Arbeiten bewegen sich zwischen Illusion und Realität, zwischen Sichtbarem und Unsichtbarem.

Sein Skulpturenweg "24 Stopps" verbindet die Fondation Beyeler in Riehen mit dem Vitra Campus in Weil am Rhein und besteht aus Werken von Tobias Rehberger.

 

Und dann gelangt man zu der herausragenden Ausstellung „Herausragend!“. Allein schon das Wortspiel – herrlich ;) So und dann, Butter bei die Fische: wer hat sich schon mal Gedanke zu über wegen Relief gemacht. Das ist ja so ein Ding zwischen Malerei und Skulptur und eigentlich verorten wir es eher irgendwo in der tiefsten Antike. Irgendwelche Schlachtrösser, tapfere Krieger auf großen Marmorplatten. Griechisch. Oder Römisch. Tempel. Als Fries oder als Schmuck im Tympanon (= Fläche im Giebeldreieck bspw. eines Tempels).

 

Ach und kleiner Umweg an dieser Stelle: vor ein paar Jahren gab es (ebenfalls am Museumsufer) im Liebieghaus in Frankfurt eine wunderbare Ausstellung zur antiken Skulptur, in der sehr anschaulich dargestellt wurde, dass der uralte Glaube vom weißen Marmor eben ein Irrglaube ist. 

 

INFOTEXT 

Die Ausstellung "Bunte Götter - Die Farbigkeit antiker Skulptur" widmet sich der farbigen Gestaltung antiker Skulpturen und architektonischer Elemente. Seit 2003 wird sie an verschiedenen Orten weltweit gezeigt. Die Ausstellung wird kontinuierlich erweitert, indem neue Forschungsergebnisse zur Polychromie und Bildsprache der antiken griechischen und römischen Skulptur eingearbeitet und durch Rekonstruktionen visualisiert werden. Die letzte erweiterte Fassung mit dem Titel "Bunte Götter - Golden Edition" war 2020/2021 in der Liebieghaus Skulpturensammlung in Frankfurt zu sehen.

 

Die Konzeption der Ausstellung basiert auf den Forschungsarbeiten von Vinzenz Brinkmann, Ulrike Koch-Brinkmann und Volkmar von Graeve, die seit den 1960er-Jahren zur antiken Polychromie durchgeführt wurden. Gemeinsam mit Raimund Wünsche, dem Direktor der Münchener Glyptothek, konzipierte Brinkmann 2003 die Ausstellung. 

Die meisten experimentellen Farbrekonstruktionen sind 2016 in den Besitz der Stiftung des Städel Museums in Frankfurt übergegangen und werden teilweise in der Frankfurter Liebieghaus Skulpturensammlung ausgestellt.

 

 

Gleiches gilt/galt natürlich auch für das antike Relief. Oh, und ich muss an dieser Stelle mein liebstes Lieblingswort einfügen: das Triglyphen-Metopen-Fries. Bestes Wort für „Hangman“-Spiele mit Erfolgsgarantie! 

 

 

So, jetzt aber auf direktem Weg zurück. Relief ist also eher so ein Thema, das man in der Moderne nicht unbedingt suchen würde. Aber: weit gefehlt! Das, was da so zwischen Wand und Raum oszilliert, ist nämlich nichts anderes. Also: Malerei, klar, die ist mit dem Untergrund verbunden, draufgemalt. Ohne Leinwand (bzw. Untergrund) keine Malerei. Je mehr die Figuren sich aus der Wand herauslösen, je dreidimensionaler sie werden, um so mehr werden sie zum Relief. Und wenn sie ganz aus der Wand herausgekommen sind, dreidimensional im Raum stehen, dann sind sie Skulptur. Oder Plastik. 

 

Aber dieses „dazwischen“ ist eigentlich so ein bisschen ein „Stiefkind“ in der Kunst. Aber hochspannend.

 

INFOTEXT

Ein Relief ist eine künstlerische Darstellungsform, bei der ein Bildhauerwerk plastisch vom Hintergrund absteht. Es kann figürlich oder abstrakt gestaltet sein und befindet sich zwischen der Bildhauerkunst und der Malerei. Es gibt verschiedene Arten von Relief, wie das Flachrelief, das Halbrelief und das Hochrelief, je nach Höhe der Figuren über der Grundfläche. Das Flachrelief hat kaum Höhenebenen und kann auch nur aus Ritzungen im Untergrund bestehen. Im Hochrelief treten die dargestellten Objekte deutlich aus dem Untergrund heraus, während das Halbrelief dazwischen liegt und gewisse Rundungen aufweisen kann. Reliefs werden aus verschiedenen Materialien hergestellt, darunter Stein, Holz, Gips, Ton, Elfenbein und Metalle wie Bronze, Kupfer, Silber und Gold. Es gibt verschiedene Verarbeitungstechniken wie Gießen, Treiben, Gravieren, Prägen und Schmieden. Reliefs wurden vor allem in der klassisch-griechischen, hellenistischen und römischen Kunst zur Verzierung von Tempeln und Grabstelen verwendet.

 

Und aus der Ausstellung im Städel greife ich mal ein paar Beispiel heraus: 

Günter Uecker 

Organische Struktur I 1962

Nägel und Öl auf Leinwand auf Holz

 

Yves Klein

Relief éponge bleu (Kleine Nachtmusik) I 1960

Schwamm, Stein und Farbpigmente auf Holz und Leinwand

 

Piero Manzoni

Achrome I 1959760

Kaolin auf Leinwand

 

Naum Gabo

Konstruktiver Kopf Nr. 1 I 1915

Dreischichtiges Sperrholz

 

Großartig, oder? Und mit einem Mal bekommt das Thema Relief einen ganz anderen Hintergrund. (Achtung Kalauer!) Es bekommt mehr Tiefe…

 

Ich kann nur empfehlen, die Ausstellung zu besuchen und wünsche schon jetzt viel Spaß dabei! Und wenn es nicht diese ist, vielleicht schenken wir dann einfach der Dimension zwischen Wand und Raum mehr Beachtung…

 

Im Städelgarten stehen im Moment übrigens auch noch diese Geschöpfe von Ugo Rondinone herum. 

Kommentar schreiben

Kommentare: 0