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the beauty of japanese architecture - Die Vollkommenheit des Kontrasts  

 

Japanische Architektur ist Tadao Ando.

Tadao Ando ist japanische Architektur. 

 

1941 in Osaka geboren ist Ando heute wohl einer der bekanntesten Architekten Japans – obwohl er nie Architektur studiert hat. Autodidakt ist. Sein Wissen erlangt hat durch eine Herangehensweise, die man wohl als „ungewöhnlich“ bezeichnen könnte. 

 

Mit 15 Jahren, so erzählt man, hat Tadao Ando ein Buch über Le Corbusier in die Hände bekommen und war fasziniert von dem, was er sah. Beschloss zu reisen. Nach Europa, in die USA. Die Architektur dort zu entdecken, zu erleben und zu spüren. Architekten kennenzulernen.

 

Daraus hat er seinen ganz eigenen Stil entwickelt und ist heute ein preisgekrönter Architekt mit riesigem internationalem Erfolg. Charakteristisch für seine Bauten ist die Kombination aus westlichen (modernen) Architekturelementen (ja, auch Le Corbusiers Inspiration ist hier an der ein oder anderen Stelle zu entdecken) und der japanischen Tradition. Sie sind schlicht, minimalistisch – fast schon streng. Aus Beton. Und schaffen immer wieder eine besondere Atmosphäre. Durch geschickte Bezüge zu den Orten, an denen sie platziert sind, an denen sie stattfinden. Unter Einbeziehung der Natur, im Einklang mit ihr – auch wenn sich das widersinnig anhört. Und durch die Inszenierung von Licht. Natürlichem Tageslicht.

 

Ando verwendet in der Gestaltung seiner Bauwerke einfache geometrische Formen, die ganz bewusst im Gegensatz zur Natur stehen, aber dennoch mit ihr zusammenwirken, eine Spannung zwischen Architektur und Natur entstehen lassen. So stehen zum Beispiel auf dem Vitra Campus die gebauten Formen im (scheinbaren) Gegensatz zu den umliegenden Kirschbäumen. Apropos Kirschbaum: Die japanische Kirschblüte ist wohl eines der wichtigsten Symbole Japans. Sakura. Zugleich neuer Anfang (der Knospen im Frühling) wie auch Vergänglichkeit (das Verblühen). Und diese fragile Schönheit der Kirschblüte im Gegensatz zur grauen, aus Beton gegossenen Wand. Der perfekte Kontrast. Und zugleich die perfekte Einheit. Denn das eine wäre ohne das jeweils andere wohl kaum sichtbar. Würde sich das Zarte ebenso wenig zeigen wie das Raue. (In einem anderen Kontext habe ich hierzu schon einmal einen Artikel geschrieben: Ohne Lücken wäre das Zebra ein Pferd). 

 

Also: Geometrie. Kreis. Rechteck. Quadrat. Aus Beton. Nicht aus der Natur kommend und doch in Bezug auf sie. Und den Menschen. Wohlproportioniert. Harmonisch. Wahrnehmbar, ohne dass man dies explizit ausführen muss. Spürbar. Erlebbar. War das nicht auch die Herangehensweise von Tadao Ando an die Architektur. Sein Studium? 

 

Harmonie ist wahrnehmbar, aber schlecht zu beschreiben. Wie der Goldene Schnitt. Der „ist“ auch einfach. Wird empfunden. 

 

Kleiner Exkurs: Der Goldene Schnitt ist eine seit der Antike bekannte „Gestaltungsregel“ und wird von uns als besonders harmonisch empfunden. Er kommt in der Natur & am menschlichen Körper vor und wird zum Beispiel in der Architektur, Malerei, Fotografie, Schriftgestaltung, … bewusst eingesetzt. Einfach erklärt teilt man eine Strecke oder eine Fläche in einen kleineren (a) und einen größeren (b) Teil, wobei das Verhältnis des kleineren (a) Teils zum größeren (b) das Gleiche ist wie das des größeren Teils (b) zum Gesamten (c).  Also: a zu b wie b zu c.

Ein Beispiel in der Architektur ist das Brandenburger Tor in Berlin oder in der Malerei der Aufbau des Gemäldes „Der Mönch am Meer“ von Caspar David Friedrich. 

 

Der Bezug zum Menschen, die Proportionierung entsteht bei Tadao Ando übrigens durch den Einsatz eines Moduls. (Auch dies etwas, das Le Corbusier mit seinem Modulor angewendet hat.) Andos Modul ist die Tatami Matte. Eine Matte aus Reisstroh, die im traditionellen japanischen Raum als Fußboden verwendet wird – durch ihr Auslegen wiederum auch die Größe des Raums vorgibt. Ihre Maße sind angelehnt an das (ideale) Maß des menschlichen Körpers: 1.80m x 0.90m. [Kleiner Einwurf: Diese Maße variieren leicht in den unterschiedlichen Regionen Japans.] Bei Tadao Ando sind sie die Grundlage für die Maße der Schalbretter für den Beton. Bleiben nach Aushärten des Betons als sichtbare (und gliedernde) Marken auf der Fläche gemeinsam mit den Rödellöchern, die wiederum durch die Schrauben entstehen, die die Schalbretter zusammenhalten. 

 

Als der junge Japaner damals in den 1960er Jahren in Europa unterwegs war, führte ihn sein Weg auch nach Rom. Ins Pantheon, von dem er sagt: „Das Pantheon war für mich der Anfang und die Kulmination der Raumgestaltung: Die einfachste und zugleich perfekte Maßgabe in der Geschichte der Architektur, die einen Raum von 43 Metern Durchmesser umfasst und die zudem einen beachtlichen Lichteinfall durch eine runde Öffnung im Gewölbescheitel mit einem Querschnitt von acht Metern erlaubt.“[1] Hier taucht ein weiteres wesentliches Element der Architektur Tadao Andos auf, das Licht. Genauer gesagt: Lichteinfälle. Lichtinszenierung. So, wie sie ihn am Pantheon begeistert hat, so setzt er sie in seinen Bauwerken ein. Mystisch fast. Licht, Stellen durchscheinend, wo man es nicht erwarten würde. Wo es sich lohnt, in einen düsteren Raum hineinzugehen, die Spannung auszuhalten bis sich aus dem Halbdunkel der Raum entwickelt. Hier möchte ich gerne einen Gedanken einfügen, den ich letztens auch in einem meiner Seminare geäußert habe: Greifen wir nicht ohnehin oft (zu oft) zum Lichtschalter? Könnten wir uns nicht auch langsam an die Dunkelheit gewöhnen? Zunehmend erkennen statt gleich alles hell erleuchtet vor uns liegen zu haben? Vielleicht sind wir zu ungeduldig? Vielleicht ist es eine Architektur wie die Tadao Andos, die uns hier wieder ein bisschen mehr zur Geduld aufruft? Denn auch hier wieder: ohne die Dunkelheit würden wir das Licht nicht haben. Ohne Licht nicht die Dunkelheit. Das eine ist nur wahrnehmbar dadurch, dass es das andere gibt.

 

Und liegt damit nicht im Kontrast die Vollkommenheit?



[1] Betonprisma 92: Natur. Tadao Ando I beton.org

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