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Architektinnen

 

Machen wir doch zum Einstieg ein kleines Quiz! (Die Lösungen stehen dann ganz am Ende des Textes.)

 

1.     Weibliche Studierende stellen heute die Mehrheit im Architekturstudium dar – allerdings setzen sich nur wenige später im Beruf durch. Wie hoch war 2018 der Anteil an Architektinnen und Stadtplanerinnen?

a)     17%

b)    34%

c)     42%

 

2.     Wann gründete Emilie Winkelmann in Berlin als erste Frau ein Architekturbüro?

a)     1887

b)    1901

c)     1907

 

3.     Wer war die erste akkreditierte Architektin der Welt?

a)     Signe Hornborg

b)    Margarete Schütte-Lihotzky

c)     Elisabeth von Knobelsdorff

 

Schon interessant, wenn man mal in die Architekturgeschichte schaut – lauter Männer! Von Architektinnen hört (und sieht) man relativ wenig und das obwohl der Anteil an Architekturstudentinnen höher ist als der ihrer männlichen Kollegen. Was passiert mit den Frauen? Verstecken sie sich? Haben sie sich in den vergangenen Jahrzehnten und Jahrhunderten versteckt? Es ist ein ähnliche Geschichte, wie bei den Künstlerinnen, denen ich eine der vorhergehenden Kulturlektüren gewidmet habe. Hier kommt ebenso – zu allen anderen Begleitumständen – hinzu, dass es immer auch Vorbilder, Role Models braucht. Wenn es niemanden gibt, an dem ich mich orientieren kann, noch niemand vorher den Weg gewagt hat, ist es schwer, selbst den Anfang zu machen. Sehe ich leuchteten Beispiele, fällt es mir vielleicht leichter, über einen ähnlichen Weg zumindest nachzudenken wenn nicht gar, ihn einzuschlagen!

 

Heute soll also das Scheinwerferlicht fallen auf ein paar tolle Frauen, die sich in dieser sog. „Männerdomäne“ Architektur durchgesetzt und ihre Spuren hinterlassen haben. Wir reisen (gedanklich) zurück an den Anfang des 20. Jahrhunderts, als es in Deutschland (und einigen anderen Ländern Europas) Frauen endlich gestattet war, auch an Universitäten zu gehen, zu studieren. Das Großherzogtum Baden lässt als erstes Land in Deutschland an der Universität Freiburg Frauen zum vollwertigen Hochschulstudium zu – das war im Februar 1900. Johanna Kappes und vier weitere Studentinnen begründen an der Freiburger Uni ihren Weg als Ärztinnen. 

 

Die erste Architekturstudentin lässt dann auch nicht lange auf sich warten: Elisabeth von Knobelsdorff ist 1911 die erste deutsche Architekturstudentin – ihre Vorreiterin war bereits 1890 in Finnland Signe Hornburg. 

 

Trotz dieser (neuen) Möglichkeiten kennt man nur wenige Architektinnen, die sich in diesem Metier auch durchgesetzt und sich einen Namen gemacht haben. Zu oft ist es – wie bei Lilly Reich – so, dass sie hinter den ungleich berühmteren Männern zurückstehen.

 

Oder? Wie sieht es aus? Schon mal was von Lilly Reich gehört? Nein? Aber von Ludwig Mies van der Rohe, oder? Aha. Naja, und jetzt ist es doch tatsächlich so, dass eben jener maßgeblich von Frau Reich geprägt wurde... Fangen wir vorne an: Lilly Reich wurde 1885 in Berlin geboren, wo sie auch recht behütet aufwuchs. Die Eltern ermöglichten ihren Kindern eine gute Ausbildung und so wurde Lilly Kurbelstickerin. Noch nie gehört? Ich vorher auch nicht. Kurbelstickerei gibt es heute fast nicht mehr – sie wurde früher häufig für den Schmuck auf Ball- oder Hochzeitskleidern eingesetzt, findet sich heute vielleicht noch auf Westernhemden. Aussehen tut es, als würde eine sehr fein gehäkelte Kette auf dem Stoff befestigt. 

 

Zurück zu Lilly Reich, die nach einigen Zwischenstationen schließlich die erste Frau im Vorstand des Deutschen Werkbundes wurde, sich einen Namen macht vor allem als Innenarchitektin, als Ausstellungsgestalterin. Schließlich lernt sie 1926 Ludwig Mies van der Rohe kennen und zwischen den beiden funkt es – privat und beruflich. Gemeinsam gestalten sie Wohnhäuser und deren Einrichtung in Krefeld, für die Stuttgarter Weißenhofsiedlung und schließlich übernimmt Reich die Leitung für den deutschen Beitrag an der Weltausstellung 1929 in Barcelona. 

 

Ja, genau, dass ist die Weltausstellung, von der man den sogenannten Barcelona Pavillon kennt (steht heute wieder errichtet etwas außerhalb vom Stadtkern Barcelonas und ist ein Besuch unbedingt wert). Dieser Pavillon wird heute ausschließlich mit einem Namen in Verbindung gebracht: Ludwig Mies van der Rohe. Ebenso wie viiiiiiele Entwürfe von Stahlrohrmöbeln. Die waren aber gar nicht von ihm. Sondern von Lilly Reich. Mies van der Rohe beruft sie schließlich 1933 noch als Leiterin der Bauabteilung ans bauhaus – dieses muss aber noch im selben Jahr dem Druck der Nationalsozialisten nachgeben und schließen. Lilly Reich arbeitet in den Folgejahren häufig an der NS-Propaganda mit, beteiligt sich an zahlreichen Ausstellungen – zu ihrer Überzeugung weiß man jedoch nicht viel. 1947 stirbt sie in Berlin.

 

Drei Jahre, nachdem Lilly Reich verstorben ist, wird eine der heute bedeutendsten Architektinnen geboren: Zaha Hadid kommt 1950 in Bagdad/Irak zur Welt. Sie ist maßgeblich an der (zunächst theoretischen) Formulierung des Dekonstruktivismus beteiligt, dem neben ihr auch Frank Gehry oder Daniel Libeskind zuzuordnen sind. Hadid hatte diese Theorie schon an verschiedenen Hochschulen im internationalen Ausland gelehrt, war aber selber nie dazu gekommen, ihre Ideen zu verwirklichen. Immer hat man ihre Entwürfe als zu kühn, zu abwegig, nicht realisierbar abgetan. 1993 erhält sie schließlich ihre erste Chance, einen Entwurf umzusetzen: Rolf Fehlbaum lädt sie ein, ein Feuerwehrgebäude auf dem Vitra Campus in Weil am Rhein umzusetzen. Wirft man heute einen Blick auf ihre Entwürfe, fragt man sich noch immer, wie in aller Welt jemand auf eine solche Idee kommen kann. Linien, die aus der Landschaft aufgegriffen werden, lässt Hadid „explodieren“, um dann diese Explosion in Beton abzubilden. Verrückt, futuristisch und ganz anders, als alles, was das Betrachter-Auge bisher gewohnt war. Und schon entspinnen sich die schönsten Geschichten um das Gebäude – zum Teil aus Unwissen, zum Teil aus Unverständnis und manchmal vielleicht auch einfach, um doch irgendwie das Ganze zu erklären. Mythos ist die Fire Station vielleicht auch deshalb geworden, weil sie nur etwa zwei Jahre als ebensolche diente. Auch heute hört man noch oft „das kann ja nicht funktionieren“ von Personen, die vor dem Gebäude stehen. Aber es funktioniert doch! Und greift tatsächlich am Betrachter selbst an: warum (so die Dekonstruktivisten) muss sich denn ein Gebäude immer nach den Bedürfnissen des Benutzers richten? Warum denn nicht umgekehrt? Wir Menschen sind ja zum Glück mobil, können uns bewegen, sind kein Stein. Und sind (hoffentlich) auch in unseren Köpfen beweglich! Können uns also anpassen an schiefe Wände, ausrichten nach der Architektur, mitgehen, uns auf ihr Spiel einlassen. Die Herausforderung, die das Gebäude an uns stellt, annehmen. Ist ungewohnt. Macht aber Spaß. Und überzeugt so sehr, dass Zaha Hadid zu einer der prägendsten Architektinnen unserer Zeit wird. Sie errichtet das phaeno in Wolfsburg (ein interaktives Museum), die Skisprungschanze Bergisel in Innsbruck, die Messehalle 3A der Nürnberger Messe oder auch den Bejing New International Airport und vieles mehr. Und erhält als erste Architektin 2004 den Pritzker Preis, den „Nobelpreis der Architektur“. 2016 verstirbt sie unerwartet.

 

Kazyo Sejima ist übrigens die zweite Frau, die mit dem Pritzker Preis ausgezeichnet wird – gemeinsam mit ihrem Partner. Gemeinsam mit Ryue Nishizawa leitet sie das Architekturbüro SANAA dessen Namen sich ableitet von Sejima And Nishizawa And Associates. Kazyo Sejima wurde 1956 geboren und studierte an der Frauenuniversität in Tokio / Japan Architektur. Im Gegensatz zu Hadid sind ihre Entwürfe minimalistisch, zurückhaltende – irgendwie typisch japanisch. Die wesentlichen Elemente sind Stahl, Beton und Glas, aber auch Experimente mit innovativen Materialien nehmen eine große Rolle ein. Wesentlich für Sejima ist es, Räume der Begegnung zu schaffen. Deutlich wird dies auch in ihrer Rolle als erste weibliche Kuratorin der Architektur-Biennale von Venedig 2010 mit dem Gedanken, zu schauen, welchen Einfluss gebaute Räume auf Menschen und auf die Gesellschaft haben. 

 

Eine tolle Frage für den Abschluss dieses Textes: wie wirken denn Räume auf Menschen, auf uns? Welchen Einfluss haben sie? Beeinflussen sie uns oder sind umgekehrt wir es, die die Räume beeinflussen? 

 

Viel Spaß mit diesen „Denk-Anstößen“! ;)

 

 

 

 

Lösungen: 1b / 2c / 3a

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